- "Erhebend, was ein Mensch vermag"
Erich Köhler ist tot. Der Schriftsteller verstarb, wie erst am Wochenende bekannt wurde, bereits am Mittwoch in seinem Heimatort Alt-Zauche (Landkreis Dahme-Spreewald). Sein Lebensstrom versiegte plötzlich im 75. Lebensjahr.
VON KLAUS WILKEEr starb, wie er seit langem gelebt hatte: still und nahezu unbemerkt. Vielleicht hat er, wenn dazu noch Gelegenheit war, sich ins Fäustchen gelacht. Ihm war ja ein skurriler Humor eigen,. von dem seine Bücher und Geschichten gelebt haben. Mag sein, er dachte,. damit, dass er sich barfuß und mit angehaltenem Atem aus dem Raum schlich, der das Leben heißt, könne er der Nachwelt. ein Schnippchen schlagen.
Das war nicht immer seine Taktik. Das Deutsche P.E.N.Zentrum der internationalen Schriftsteller-Vereinigung musste ihn schon, um ihn los zu werden, regelrecht hinauswerfen. Ein Zeichen wollte er setzen und trieb es bis zu seinem Abwahl-Hinauswurf und erschien dennoch, Flugblätter verteilend, zur nächsten P.E.N.- Zusammenkunft. Hintergrund der Trennung von Köhler war der Vorwurf einer Stasi-Mitarbeit als IM „Heinrich". Der Schriftsteller hatte Gutachten über neue Bücher seiner Kollegen gefertigt. Darüber fanden sich -so berichtet Joachim Walther in seinem Buch „Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik" - Berichte in einer AP (Allgemeine Personenablage).
Was bei den P.E.N.-Kollegen offenbar keine Rolle spielte, war, dass dieser eigenartige, unbequeme und zuweilen querdenkerische Typ Köhler von Partei und MfS mit Argwohn, Misstrauen und Verdacht überschüttet wurde. War es doch seine Idee, als Schriftsteiler Arbeiter in einem volkseigenen Tierzuchtbetrieb zu werden, sich für das Bücherschreiben mit einem kleinen Salär zufrieden zu geben und die Honorare in das Betriebsergebnis einfließen zu lassen. Da wollte wohl einer Kontakte zur Arbeiterklasse ohne deren Partei? Baute er etwa an einem Bitterfelder Weg, der nicht von Tribünen, Fahnenstangen und Losungen gesäumt war? Da kann schon was dran sein. Hüten wir uns aber vor einer Missdeutung: Erich Köhler blieb bis zu seinem letzten Atemzug, weiter noch: bis zur Todesanzeige seiner Angehörigen ein Kommunist.
Es hatte aber dieser Kommunismus Köhlerscher Art seine eigene Linie. Er nahm, belesen, zitatensicher und mit dem Kopf eines Philosophen, die so genannten Klassiker oft beim Wort. Und dieses Wort hatte dann einen anderen Klang als unter der Verzerrung der „Partei-Mikrofone"..So wurden in der DDR auch seine Bücher diametral diskutiert. War doch immer Sprengstoff in sie gepackt, genau gezielt, nie gegen die DDR und den Sozialismus, aber gegen deren Auswüchse, gegen die Bürokratie, gegen den verwalteten Mangel, gegen vieles, was Menschen das Leben vergällt.
Dafür hatte sich Köhler eine Schreibe anerzogen, die viel mit utopischen, phantastischen und grotesken Mitteln arbeitete, starke Bilder einsetzte und immer - sicher eine Spiegelung seiner selbst - auf eigenbrötlerische, hochintelligente Figuren setzte. Er der die Welt kannte, in Lehre und Arbeit in Berufe des Bäckers, Schneiders, Malers, Bergarbeiters und Landarbeiters geschaut und am Leipziger Literaturinstitut studiert hatte, überraschte in Büchern wie „Hinter den Bergen", „Der Krott oder Das Ding unterm Hut", „Sture und das deutsche Herz" mit seiner Weltsicht. Unter dem Titel „Blasmagorien" schrieb Köhler Erzählungen, die sich dem Leben im Osten nach der Wiedervereinigung kritisch zuwandten. Erich Köhler hat auch poesievolle und abenteuerliche Kinder- und Jugendbücher geschrieben.
Der Schriftsteller hinterlässt ein Werk, das so umfangreich ist, dass man nur ihn selbst zitieren kann: „Erhebend, was ein Mensch vermag." Es lohnt, sich diese Bücher gelegentlich mal wieder vorzunehmen.
erschienen im Juli 2003 in der Lausitzer Rundschau
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Erich Köhlers Lebensdaten
- Zum Tode des Schriftstellers Erich Köhler