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  Erich Köhlers Ausschluss aus dem P.E.N.-Club  

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Beurteilung des Weskottschen "Forschungs"- Berichts

Rufmord an Erich Köhler
(Frühj. 2005)

Abschlussbericht des Ehrenrates

(2. April 2002)

"Gering- verursachte Schutzred"

(Dez. 1993)

"Wortmeldung"

zweite Stellungnahme

(Mai 2001)

dritten Stellungnahme

(April 2002)

vierte Stellungnahme

(April 2003)

Erklärung gegen den Ausschluss

(Sept. 2002)

Antrag auf Wiederaufnahme in den deutschen P.E.N

(Mai 2003)

Brief der Witwe Erich Köhlers an den Präsidenten des deutschen P.E.N.

(Okt. 2003)

 

 


Zu dem fragwürdigen Forschungsbericht des Pfarrers Martin Weskott "Hinter den Aktenbergen. Schriftsteller und Staatssicherheit am Beispiel Erich Köhler" (Literatur im Kontext, Edition Duhm Catlenburg 2002)

Der 80-seitige Forschungsbericht, dessen Extrakt im Abschlussbericht des Ehrenrates des P.E.N.Zentrum Deutschland vom 02.04.2002 zusammengefasst ist, stützt sich auf dreifach selektierte Unterlagen der Gauck/Birthler-Behörde (BStU).

Die erste Selektion erfolgte durch das MfS selbst, denn zahlreiche Unterlagen - so die Arbeitsakte des IM "Heinrich" blieben unauffindbar. So bleibt in Teilen der zitierten Dokumente unklar, ob diese überhaupt Erich Köhler zuzuordnen sind. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der Zitate aus Berichten von Führungsoffizieren stammt, also wiedergeben, was die Führungsoffiziere als wesentlich beurteilt und mit ihrem eigenen Begriffsvorrat niedergeschrieben haben. Martin Weskott scheint das nicht wahrgenommen zu haben, denn er unterstellt Erich Köhler im Abschlussbericht: "Obwohl literarisch meistens wesentlich differenzierter, pflegt Köhler in seinen Berichten ein einfaches Weltbild (etwa Bedrohung durch PUT = Polit. Untergrundtätigkeit)..." Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Begriff "politische Untergrundtätigkeit" aus dem internen MfS-Sprachgebrauch in Gesprächen mit IM eine Rolle gespielt hat.

Die zweite Selektion erfolgte durch die BStU, deren wichtigste Aufgabe darin besteht, Erkenntnisse des MfS über westliche Geheimdienste und andere dubiose Machenschaften der westlichen Seite vor öffentlichem Zugriff zu schützen. Materialien solchen Inhaltes bekam Herr Weskott also überhaupt nicht zur Kenntnis, was ihn aber nicht daran hindert, Erich Köhler zu unterstellen: "Entsprechend dem Feindbild, das ihn subjektiv geleitet haben mag und offenbar immer noch leitet, war die DDR von feindlich-negativen Elementen umgeben und innerlich bedroht." Merke: Was die BStU nicht an Material herausgibt, hat es also nicht gegeben und ist deshalb auch nicht zu beachten. Dabei sollte es doch eigentlich zur Allgemeinbildung gehören, wie z.B. die CIA mit dem von ihr finanzierten "Congress of Cultural Freedom" den kulturellen Kampf gegen die sozialistischen Länder als Teil des Kalten Krieges geführt hat. Würden alle Helfer und Verbindungsleute des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesverfassungsschutzes und der anderen westlichen Geheimdienste die Veranstaltungen des P.E.N. verlassen, würden sich die Säle spürbar leeren.

Die dritte Selektion nahm Pfarrer Weskott selbst vor. Er durchsuchte die ihm vorliegenden Materialien offenbar mit der Absicht, sein eigenes Feindbild vom MfS auf Erich Köhler zu projizieren, versuchte noch nicht einmal ansatzweise Motive und Handeln von Erich Köhler zu verstehen oder unvoreingenommen Entlastendes und Belastendes gegenüberzustellen. Er war vor allem bemüht, durch eine Fülle von Zitaten, deren Zusammenhang und Sinn sich oft nicht erschließen oder deren Banalität ins Auge springt, Zuträgerei und Spitzelei zu belegen.

Nach Überzeugung von Martin Weskott hielt Erich Köhler die Maschinerie der Denunziation in Gang und schuf ein Mosaik von belastenden Details, das je nach Situation gegen die Betroffenen verwendet werden konnte. Im Fazit seine Forschungsberichtes wird er noch deutlicher und behauptet, Erich Köhler habe dem MfS Argumentationsketten und Material in die Hand (geliefert), um Autoren/innen gefügig zu machen. Man kann den Forschungsbericht so oft lesen, wie man will, für diese Behauptung findet sich nicht der geringste Anhaltspunkt. Wen soll oder wollte das MfS denn auf welcher Grundlage gefügig machen? Das Geheimnis der Erfolge des MfS war die freiwillige, auf politischer Überzeugung beruhende Unterstützung durch staatsverbundene und loyale Bürger der DDR. In der Motivation seiner Unterstützer unterscheidet es sich dabei erheblich von den heutigen Geheimdiensten, die sich vor allem auf die höchsten aller Werte der heutigen Gesellschaft stützen, auf Geld und möglichst sehr viel Geld.

Bei der Erfüllung seines Auftrages, Schaden von der DDR abzuwenden, arbeitete das MfS übrigens vor allem und hauptsächlich vorbeugend, indem es bemüht war, Konflikte und Bedrohungen möglichst schon im Ansatz zu erkennen und auszuschalten - woher sollte das Herr Weskott aber auch wissen. Vielmehr spukt in seinem Gehirn die Vorstellung, die Schriftsteller der DDR hätten in ständiger Angst vor willkürlichen Verhaftungen leben müssen und das ganze Sinnen und Trachten des MfS sei auf nichts anderes gerichtet gewesen. Diese Horrorvision hat nichts mit der Realität gemein. 1976 traf die DDR-Führung mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann eine ihrer eklatantesten politischen Fehlentscheidungen. Dagegen richtete sich der berechtigte Protest von mehr als hundert DDR-Bürgern, darunter auch von vielen Schriftstellern. Diese waren oftmals keine politischen Freunde Biermanns, lehnten aber die Methode der Ausbürgerung als suspekt ab. Hieran wird aber auch sichtbar, dass selbst im Falle Biermanns, der massiv materiell und propagandistisch unterstützt von westlicher Seite ein erhebliches politisches Ärgernis für die DDR-Führung war, eine Inhaftierung nicht zur Disposition stand. Auch die Proteste gegen die Ausbürgerung Biermanns wurden durch politische Gespräche und Auseinandersetzungen und nicht durch strafrechtliche Repressionen beigelegt.

Getreu seines subjektiven Feindbildes steigert sich Pfarrer Weskott in die Spekulation, dass Informationen Erich Köhlers besondere Nachteile, Pressionen und ggf. Anklagen begründen oder durch juristische Nutzung gefährlich werden konnten. Er bleibt beim Konjunktiv, vermutlich weil er selbst weiß, das kein einziger Satz seines Forschungsberichtes eine solche Aussage beweisen kann. Mögliche strafrechtliche Belastungen von Personen müssen schon an Hinweisen mit strafrechtlicher Relevanz gemessen werden.

Wenn Erich Köhler zu dem Schriftsteller B.-H. Hüge einschätzte, dass dieser der Scriptomanie verdächtig sei, weil der Dinge, die in sechs Sätzen zu beschreiben wären, auf 30 Seiten auswalzen würde, dann war so etwas in der DDR nun wahrlich nicht strafbar. Auch über die Aufnahme in den Schriftstellerverband entschied nicht das MfS. B.-H. Hüge wurde trotz der Vorbehalte von Erich Köhler in den Schriftstellerverband aufgenommen, erlangte damit jedoch keine strafrechtliche Immunität. Seine angebliche besondere Gefährdung bei Nichtaufnahme ist nicht nachvollziehbar. Dieses Beispiel zeigt zudem, wie weit her es ist mit den Behauptungen von Pfarrer Weskott, über das MfS sei versucht worden "Literaturpolitik" zu betreiben oder Erich Köhler habe willentlich versucht, seine eigenen Maßstäbe zur Staatsräson zu erheben. Nur von "Stasi-Hysterie" Verblendete können verdrängen, dass die Kulturpolitik in der DDR von der SED, staatlichen und gesellschaftlichen kulturellen Instanzen gestaltet wurde, gegenüber denen das MfS bestenfalls Empfehlungen abgeben konnte, wenn Sicherheitsinteressen ins Spiel kamen. Dabei stützte sich das MfS im Allgemeinen nicht auf eine einzelne Quelle, sondern zog seine Schlüsse aus einer möglichst großen Zahl sich ergänzender und bestätigender Informationen, neben inoffiziellen, auch aus offiziellen und technischen Quellen.

Hätte Pfarrer Weskott aufmerksam gelesen, hätte ihm wenigstens der folgende Satz aus einem Bericht des IM "Heinrich" zum Schriftsteller Schlesinger nachdenklich machen müssen:  "...Diesen Kampf führt er in aller Öffentlichkeit, wie er überhaupt nichts tut ... was er nicht in der Öffentlichkeit tun kann..." Ich persönlich wäre jedenfalls sehr froh, wenn der auf das Insiderkomitee angesetzt V-Mann des Verfassungsschutzes "Förster" (monatliches Salär 1995: 1.500,- DM) in gleicher Weise wahrheitsgemäß über meine Aktivitäten berichtet hätte. Dass die einstigen Betreiber des "Anthologie-Projektes" Erich Köhler mit Milde bewerteten, will Pfarrer Weskott korrigiert wissen - aber wäre das nicht zunächst deren ureigenste Angelegenheit und eignen sich zur Einschätzung des Handelns von Menschen nur die Unterlagen des ehem. MfS? Die Übersiedlung von Klaus Schlesinger in die BRD entsprach übrigens wohl vor allem seinem eigenen Wunsch und ist niemand in der DDR anzulasten.

Bemerkenswert ist, dass der Forschungsbericht zur Haupttätigkeit Erich Köhlers für das MfS, seinen Einsatz als Experte für die Einschätzung von Literatur, kaum Aussagen enthält. Möglicherweise auch deshalb weil eben diese Einschätzungen durch Tiefgründigkeit, Sachverstand und Objektivität wenig Stoff für die Verleumdung seiner Person bieten. Er versetzte das MfS damit in die Lage - besonders im Rahmen seiner vorbeugenden Tätigkeit - sektiererischen Entscheidungen einzelner bornierter Kulturfunktionäre entgegenzutreten, zum Nutzen der jeweiligen Schriftsteller und der Literatur der DDR. Die nachstehenden, im Forschungsbericht zu einer Allegorie vom Lamm und den Wölfen enthaltenen Bemerkungen sind auch aus heutiger Sicht zu vertreten: "...Sollte es durch Machtmißbrauch einer unkontrollierten Funktionärsschicht, durch Deformation der Sozialistischen Demokratie solch quasifaschistische Züge im DDR-Bild geben, so müßten diese konkret, gesellschaftswissenschaftlich oder durch Werke des sozialistischen Realismus offenbar gemacht werden. Das Genre der Äsopfabel kann hier nichts ins Reine bringen. Es ist so recht dazu geeignet, dort, wo Klarheit gebraucht wird, nur noch mehr zu mystifizieren und zu verdunkeln. Insofern bedient sich der Autor dieser Allegorie für ein gutes Engagement einer ungeeigneten Form..."

Zusammenfassend ist einzuschätzen, dass der Forschungsbericht zu Erich Köhler in keiner Weise selbst einfachsten wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Pfarrer Weskott reiht sich damit ein in die Heerschar selbsternannter MfS-Experten, die Auftragswerke erstellen, um den antikommunistischen Zeitgeist zu bedienen, sich des Beifalls dabei weitgehend gleichgeschalteter Medien sicher sein können und am Ende genau das zelebrieren, was sie entrüstet vorgeben zu bekämpfen - die Denunziation politisch Andersdenkender.

Wolfgang Schmidt 
Sprecher des

     Insiderkomitees zur kritischen
     Aneignung der Geschichte des MfS     

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