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Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.224 (Nov. 1991)
Knüller
Vorbemerkung und Nachtrag
zu einem Cottbuser PDS-Politfrühschoppen über linke Pressearbeit.
Am 9. November 1918 besetzten Spartakisten den "Berliner Lokalanzeiger". Noch in derselben Nacht machten Hermann Duncker und Ernst Meyer mit den Werkzeugen dieses Skandalblattes die erste Nummer der Zeitung "Die rote Fahne". Tags darauf stellte die provisorische Reichsregierung unter Friedrich Ebert (SPD) den Rechtsstatus wieder her. "Die Rote Fahne" erschien später als Organ der KPD. Sprache und Stil dieser Zeitung wurde mehrmals als volksfremd kritisiert.
Was kann, was soll linke Zeitung?
Mit diesem Thema lud die PDS Cottbus zu ihrem Frühschoppen am 29. September 91 ein. Er wurde von ehrenamtlichen Machern des "Cottbuser Herzblatt" und der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ) gestaltet. 40 Besucher, darunter auch die von der PDS Cottbus eingeladenen Vertreter der KPD/DDR, nahmen an der regen und kameradschaftlich geführten Diskussion teil.
Noch nie hat es die Arbeiterklasse in Deutschland verstanden, ihre eigene Zeitung zu behalten. Unter der Nazidiktatur gab es erst recht keine freie Stimme der Arbeiter.
Im späteren Arbeiter- und BauernStaat war "Neues Deutschland" wiederum nicht das Organ der genannten Klassen, sondern einer abgehobenen Führung. Zur Zeit steht das ND als sozialistische Tageszeitung unter dem finanziellen Würgegriff der sogenannten Treuhand.
Die bürgerliche Medienlawine verbreitet in raffinierten Abstufungen den Geist der Banken und Konzerne und ihrer derzeitigen Bonner Regierungsanstalt. Ähnliches trifft auf die gewendeten, angeblich unabhängigen Tageszeitungen aus dem materiellen "Erbe" der ehemaligen SED-Bezirksorgane zu. Auf keinem Gebiet wird das geistige Elend der arbeitenden Klassen in Deutschland so deutlich wie in der Meinungsbildung.
Pressearbeit mit ihrer Tagesbezogenheit bedingt immer wieder Rückschau, Geschichtsbetrachtung.
Der Adenauerstaat war eine Mogelpackung mit dem Schleifchen: "Seid nett zueinander."
Der Koffer, den uns Mielke stehen ließ, trägt die Aufschrift: "Ich liebe euch doch alle."
Gorbatschow brachte es zu dem Zynismus: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Und das, nachdem die Sowjetvölker gegen den deutschen Faschismus zwanzig Millionen Menschenopfer in die Waagschale der Weltgeschichte gelegt haben.
Als im Kreml noch Licht brannte, triefte von dort herab die Frage: "Wieviele Divisionen hat der Papst?" Als ob Ideen mit Panzern und Kanonen aufgewogen werden könnten.
Hitler verhöhnte die Deutschen blasphemisch: "Dieses Volk hat einen Führer wie mich nicht verdient."
Die deutsche Rüstungslobby stellte klar: "Wo es ums Geld geht, hört die Freundschaft auf." Gemeint war, daß Wilhelm II. die Kriegsanleihen beim Volk einzukassieren habe und nicht bei Krupp und Konsorten.
Finanzminister Lafitte, Paris, Juli 1830, verkündete: "Von jetzt an werden wir Bankiers Frankreich regieren. "
Ludwig XIV. konstatierte: "Der Staat, das bin ich." Und sein preußisches Pendant, dessen Knochen uns gerade wieder ans Herz gebettet wurden, fragte verwundert: "Kerle, wollt ihr ewig leben?"
Das sind Grund-Sätze, echte Knüller. Dahinter stehen Aufstieg und Niedergang, Epochen, Klassen, Denkweisen. Sie bündeln in kürzester Form . Millionen Menschen mußten jeweils in die Massengräber, damit Geschichte sich in so lapidaren Lakonismen niederschlagen konnte. Es ist dies ein ganz besonderes Kapitel menschlicher Gedankentiefe.
Von Thomas Müntzer hallt herüber: "Laßt uns das Himmelreich auf Erden schon errichten."
Dagegen Martin Luther: "... daß nit gifftigers, schedlichers, teuffelischers seyn kan denn eyn auffrurischer mensch, gleich als wenn man eyn tollen hund totslahen mus" ... Was dann auch prompt an Müntzer und seinen Getreuen exekutiert wurde. Bei Luther muß die Betrachtung von Meinungsmache verweilen auf die Gefahr hin, daß wissenschaftlerische Ehrenretter des Reformators auf den Plan treten. Am Anfange der Traditionslinie bürgerlicher Revolverblätter steht nunmal das Traktat wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern. Auf dieser Wurzel, in demselben Geiste und fast der gleichen Sprache sproß die Hetze gegen den Spartakusbund:
"Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht!"
Hierzu noch ein Capriccio auf Luthers Populistik: "Dem Volk aufs Maul schauen." Gerade diese Volksmauligkeit hat die Boulevardpresse wirksam an sich gerissen, zum Schaden des Volkes.
Weiter! Jeder Graf der nachkarolingischen Ära seufzte: "Der Vasall meines Vasallen ist nicht mein Vasall." Dem ist abgeholfen worden. Solches in die moderne Bänklersprache transformiert: "Der Gläubiger meines Gläubigers ist nicht mein Gläubiger." Das entlockt dem Kenner kreditgebundener Kausalketten nur ein ungläubiges Lächeln.
Das altgermanische Barbarentum vermachte uns den Spruch: "Ewig bleibt der Toten Tatenruhm." Nach all den vielen religiös, politisch, moralisch, patriotisch, aber immer auch materiell motivierten Totmachereien stößt uns das besonders makaber auf.
Der Putsch des Julius Cäsar gegen den römischen Senat bereicherte die Welt um den Spruch: "Die Würfel sind gefallen."
Vom Höhepunkt des Römerreiches prahlt der Feldherrnruf: "Ich kam, sah, siegte." Ein Schelm, wer dabei an den UNO-Krieg des George Bush denkt, von dem die freie Presse bis heute nicht weiß oder wissen will, wieviele Frauen und Kinder, natürlich irakische, bei diesem Präzisionsunternehmen umgebracht wurden.
Von den alten Griechen paßt hierher am ehesten der archimedische Schutzruf: "Störe meine Kreise nicht!" ehe sein Kreator von einem römischen Legionär nichtsdestotrotz totgeschlagen wurde.
So verkäsen die Kämpfe von Millionen und Abermillionen Menschen am Ende zu oft lächerlichen Gags, die alle Zeiten überdauern.
Ich weiß nicht, was für ein alberner Merksatz am Ende der spätbürgerlichen Ära, deren Höhepunkt mitzuerleben wir das zweifelhafte Vergnügen haben, stehen wird. Keine Schlagzeile der Welt kann ihn vorwegnehmen.
Habe ich darüber das Wichtigste vergessen? Natürlich nicht. Es ist der Funkspruch vom Oktober 1917: An alle, an alle ... Dieser Ruf, gefaßt als Dekret über den Frieden, irrt noch heute wie ungehört um den Erdball. Er könnte gerade deshalb zum Kassandraruf der Neuzeit geworden sein. Greifen wir darum erst recht den Ruf Lenins an alle sinngerichtet wieder auf. Packen wirs an. Zum hundertundeinten Male. Trotz alledem. In einem unverwüstlichen Geiste.
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Genossinnen und Genossen,
vor dem Sonderparteitag der SED/ PDS mahnten junge Genossen mit einem düsteren Plakat: "Rettet unsere Ideale!" Es wäre so abwegig nicht, wenn sich nunmehr die älteren Genossen mit dem gleichen Aufruf an die jungen wendeten. Das Idealbild ist unscharf geworden. Man könnte glatt auch an jenes Couplet aus einer bekannten Strauß-Operette denken: "Jaja, mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinespeck." Ideale haben die Eigenart, daß sie keine mehr sind, sobald sie verwirklicht wurden. So gesehen steht uns, Alten wie Jungen, wieder alles offen.
Liebe Genossin Guggi
Seit Esau und Jakob schieden sich die Geister in Realos und Spinner, nachzulesen in der Bibel, wo Esau dem Jakob sein Erstgeburtsrecht verkaufte für ein Linsengericht. - In jeder politischen Bewegung gibt es Rechner und Schwärmer. Schon immer wurden jene, die das Himmelreich schon auf Erden errichten wollten, von den angepaßten Realdenkern als gefährliche Schwarmgeister bekämpft.
Die Rechner halten sich zumindest seit der Renaissance, einer Zeit, die Riesen zeugte, darunter auch den Adam Riese, den Moses der bürgerlichen Rechenhaftigkeit, für die eigentlich Entblödeten. Dem Ritter galt sein Schwert als das höchste Gut, dem Bürger von Anfang an der Zinssatz. Der Ritter mußte seine Interessen selber ausfechten und unterlag. Desgleichen die Bauern. Der Bürger kaufte sich Landsknechtshaufen und gewann. So bis heute. Der Golfkrieg wurde nicht von Rittern, sondern von bezahlten Profikillern "gestaltet".
Dieser knappe Abriß ist notwendig, weil so viel von Geschichtsaufarbeitung die Rede ist. Heute gibt es sogenannte Marxisten, die vom historischen Materialismus nichts mehr wissen wollen.
Alle Frühstadien jeglicher Parteiengeschichte gehörten den Schwärmern. Alle Verfestigungsstadien gehören den Kalkulatoren. Idealiker können aus ihrer Natur heraus eine Sache nicht stabilisieren, sie sind sozusagen der ständig träumende Grund einer Partei. Die Rationalisten dagegen können eine Sache bis zur Erstarrung systematisieren. Sie sind das statische Element. Unter der Hegemonie des bürgerlichen Denkens ist mir kein Beispiel aus der Geschichte bekannt, wo die Rechner der Versuchung widerstanden hätten, auch in die eigenen Taschen zu rechnen. Also geht es bei unseren Idealen doch wohl um ein nichtbürgerliches Denken. - Verliert ein System seine Moralität, bricht es darum zusammen, so erhebt sich unter dem Eindruck der Niederlage eine dritte Kategorie, die der Reformer, um nicht zu sagen Reformisten. Sie reklamieren Realitätssinn, wobei ihnen die Umstände augenscheinlich Recht geben. Sie sagen: Laßt die Kapitalisten wirtschaften, sie sind uns darin erwiesenermaßen überlegen, und trotzt ihnen dafür sozialere Manieren ab. Eine nichtkapitalistische Idealität kann sich heutzutage weniger Chancen ausrechnen als je zuvor. Der Neokautskyanismus triumphiert. Der Gartenzwerg, und nicht der Riese, empfiehlt, den Hausherrn nicht zu exmittieren, sondern von ihm billigere Mieten einzuklagen.
Um diese Position einzunehmen, bedarf es keiner Alternativpartei, das macht die seit altersher im Vorgarten angesiedelte Sozialdemokratie. Dabei weiß jeder in unserer Partei: Die Alternative zum Kapitalismus ist die sozialistische Planwirtschaft auf der Grundlage des Volkseigentums an den Produktionsmitteln.
Richtig: Die Hausherren der Welt steuern heutzutage die ganze Menschheit von fern her aus den Glaspalästen des mechanischen Materialismus. Fidel Castro stöhnte: Die Menschheit kann nicht so primitiv sein, daß sie nur unter der Knute des Kapitals effektiv arbeiten könnte. In diesem knappen Satz ist das Geheimnis unserer Ideale eingeschlossen. Kann es denn sein, daß die Gattung Mensch vor der Aufgabe der sozialistischen Planwirtschaft an die Grenzen ihrer geistigen und sittlichen Möglichkeiten stößt und daß sie sich von ihren cleveren Ausbeutern unentwegt hohnvoll daran erinnern lassen muß?
Wo eine Partei nach außen keine Machart sieht, richtet sich der Frust nach innen. Das sei menschlich, lautet der Trost. Ist das aber auch vernünftig? Alle Ratio ist derzeit vordergründig von der bürgerlichen Rechenhaftigkeit besetzt. Wo aber die Menschen nichts als Material in den Pranken des Mammons sind, dort kommt dem Aufbegehren, dem Gemüt ein neuer wichtiger Stellenwert zu. Ein Gemütskommunist zu sein, das wurde von den Rechnern in der SED verächtlich gemacht. Diese stützten sich dabei auf diesbezüglich einschränkende Bemerkungen der Klassiker. Die Welt, so wie sie heute ist, ist ein Produkt der Berechnung. Ein Gemütskommunist zu sein, das sage ich jungen wie älteren Genossen, die im Herzen jung geblieben sind, war und ist zu keiner Zeit das Schlechteste. Nichts gegen die Ratio, aber Schwarmgeisterei und Realitätssinn, Gefühl und Verstand, Herz und Hirn, qualitative und quantitative Potenzen müssen vereinigt werden. Auf! Sozialisten, schließt die Reihen!
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abgedruckt in der aus dem Brief an die Redaktion der KAZ:
Ein großer Teich war zugefroren Genossinnen und Genossen,
Wegen der kurzen Redezeit kann ich nur Sentenzen setzen.
Wenn der Staat ein Machtinstrument zur Durchsetzung bestimmter Klasseninteressen ist, dann ist Staatlichkeit ein Propagismus, Rechtsstaatlichkeit hierzu ein bürgerlich filtriertes schmückendes Beiwort.
Da nun rechtsstaatlich überall rekapitalisiert wird, so kommt den Gewerkschaften wieder die alte Bedeutung im Kampf um die Arbeiterinteressen zu. Damit wird Lenins Schrift "Was tun?" zu Fragen der politischen Handwerkelei ebenfalls wieder aktuell.
In der Präambel zum Statut der PDS steht, daß diese Partei den Interessen der Arbeiterklasse verbunden ist. Würde dieser Passus fehlen, so wäre ich nicht Mitglied dieser Partei.
Lenin schreibt: Die Geschichte aller Länder zeugt davon, daß die Arbeiterklasse aus eigenen Kräften nur ein trade-unionistisches Bewußtsein herauszuarbeiten vermag. Das erleben wir heute überall, wo Arbeiter streiken. Die Lehre des Sozialismus, schreibt Lenin, ist hingegen aus den philosophischen, historischen und ökonomischen Theorien hervorgewachsen, die von den gebildetsten Vertretern der besitzenden Klassen ausgearbeitet wurden. Und weiter: Das sozialistische Bewußtsein ist also etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas urwüchsig aus ihm Entstandenes.
Wir wissen, daß der Wohlstand der modernen Industriestaaten zum großen Teil auf der Ausbeutung ärmerer Völker beruht. Wir wissen, daß das weltweit zu neuen Massenbewegungen führt, die ein Involvieren sozialistischer Ideen neu herausfordern.
Da die ostdeutsche Arbeiterklasse den bisher praktizierten Sozialismus teils aus Enttäuschung, teils aus Verblendung durch den D-Mark-Komplex abgewählt hat, so kehrt auch sie auf den Stand des Trade-Unionismus zurück und fordert damit das Hineintragen reiferer sozialistischer Gesamtideen ebenfalls neu heraus. Die Bourgeoisie hat das längst begriffen. Sie bekämpft gerade darum die PDS als potentiell kollektive Geistträgerin. Von der Gruppe der Nachbeter ihrer Rechtsstaatlichkeit hat sie dabei nichts zu befürchten.
Es ist fraglich, ob sich aus dem Spätbürgertum noch einmal so progressive Geistträger finden wie von der französischen Aufklärung über die deutschen Klassiker bis hin zu Lenin.
Viele bürgerliche Kritiker lassen zwar an ihrer eigenen Gesellschaft keinen guten Faden, vor dem Schritt zu deren Abschaffung aber scheuen sie zurück. Damit kommen sie über den intellektuellen Skeptizismus nicht hinaus. Dieser Skeptizismus wird von der unglaublichen bürgerlichen Medienmacht geschickt kultiviert und mit Mechanismen der Sprachregelung bis tief in das Denken innerhalb unserer Reihen hineingetragen. Alles, was längst machbar und in guten Ansätzen auch gemacht worden ist, wird in das Reich der Utopie verdammt. Fliehend vor dem Gespenst des Kommunismus, geht man so sehenden Auges dem Abgrund entgegen.
Indem sich bürgerliche Geister zur weiteren Eintragung revolutionärer Ideen schwerlich finden werden, so ist nunmehr jene Intelligenz gefragt, die trotz unvollkommener Praktiken des Sozialismus als Intelligenz der Arbeiterklasse entstanden ist. Die Geschichte hat uns nicht mehr als 40 Jahre Lehrzeit zugebilligt. Sie hat weltweit keine 40 Jahre Lehrzeit mehr übrig. Die Perspektive heißt: Sozialismus oder Barbarei. Wer also, wenn nicht wir?
Zur Zeit fällt auf, daß PDS-Politiker mit einem diffusen Linksbegriff operieren, so als ob sie das Phänomen nicht nennen können oder wollen.
Links ist nämlich inzwischen historisch terminiert, bedeutet die Ablösung jedweder auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruhender Produktionsverhältnisse, eine grundsätzlich andere Rezeption der Arbeit und die dazu gehörige Kampfposition. Modernität liegt dabei nicht im Technischen oder Zivilisatorischen begründet, sondern im gesellschaftlichen Typ der Arbeit.
Wenn Andre Brie seine Theorie vom Recht auf Erwerbsarbeit verficht, wobei er sich in einen bürgerlicherseits hingeworfenen Sprachbrocken verbeißt, so mag er in Rechnung stellen, daß derzeit nichts anderes geht. Die Tücke des Objektes will, daß er sich dabei für das Recht auf einen altertümlichen Typ von Arbeit engagiert. Jeder noch so belächelte und halbherzige Versuch der sozialistischen Wettbewerbsarbeit ist dem weit voraus.
Als in den Leninschen Subbotniks Arbeiter mit archaischen Werkzeugen in unbezahlter Arbeit Lokomotiven reparierten, so demonstrierten sie damit keimhaft eine moderne Art von Arbeit, dergegenüber die heutige Erwerbsarbeit zur altertümlichen Lohnsklaverei abfällt, in welcher der Werktätige, so gut er auch bezahlt werden mag, nicht nur seinem Produkt, sondern auch seinem Klassenbruder entfremdet wird. Denn der Kollege wird damit gleichzeitig zum Arbeitsplatzkonkurrenten herabgedrückt.
Ich muß jetzt abbrechen. Das Thema ist erinnert. Es weist für eine Partei, die sich sozialistisch nennt, über alle noch so notwendigen politischen Kasuismen hinaus, damit wir nicht, frei nach Goethe, mit den alten Fröschen quaken.
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Um das Bloch'sche "Prinzip Hoffnung" ranken sich Hoffnungen. Wie können wir, fragten junge Genossen, gegen Sozialabbau, gegen die Ausplünderung finanzabhängiger Staaten, für Recht auf Arbeit, Wohnung, Bildung, Gesundheits- und Altersfürsorge streiten, wenn es keine Hoffnung gibt. Hier wird Hoffnung mit Zuversicht verwechselt. Hoffnung, einmal zum Prinzip erhoben, wurde damit zur philosophischen Kategorie, die vom materialistischen Standpunkt aus verworfen werden muß.
Die Anfangsgründe liegen weit zurück. Die Menschen konnten es sich nicht anders vorstellen, als daß die Natur einen quasi menschenfreundlichen Sinn haben müsse.
Aristoteles (um 350 v.u.Z.) faßte diesen Weltsinn als Entelechie, als Prinzip der zielstrebigen Verwirklichung dieses angenommenen Weltgeistes, mannigfaltig ausgedrückt in den konkreten Erscheinungen. Die Lehre, die er dazu aufmachte, nannte er Teleologie. In beiden steckt das griechische Wort Telos, das uns heute noch in Teleskop, Telefon, ja mit Telepathie sogar aus der Psychologie begegnet, und soviel heißt wie: fernhinzielende Kraft.
Hier muß aus Raumgründen auf die Auslotung dieser immerhin mehrtausendjährigen Denkschule verzichtet werden. Zum Verständnis solcher Kategorien sollte jeder hin und wieder ein gutes Lexikon benutzen.
Causa causarum, Ursache aller Ursachen nennen die Lateiner diese angenommene Selbsttätigkeit des Weltgeistes, die in allen gesellschaftlichen wie auch physikalischen Prozessen wirken soll. Menschliche Einmischung stört hierbei nur. Alles geht seinen sozusagen göttlichen Gang, und zwar zum letztlich Guten. Der Volksmund persifliert jene von den Idealisten in die Weltentwicklung hineinprojizierte Finalursache respektlos als Friede, Freude, Eierkuchen. Besser läßt sich die instinktive Abneigung des Volksempfindens gegen die sogenannte immanente Endzweckbestimmung nicht ausdrücken. Der idealistische Philosoph benennt das Endergebnis seines Denkens natürlich nicht so frivol, sondern hat dafür auch wieder ein griechisches Wort, nämlich Eudaimonia: Freudiges Erlebnis des rundum Schönen, des Weltgeistes eben.
Noch Friedrich Hegel faßte in diesem Sinne alle Entwicklung als Realisationsprozeß des höchsten Zweckes, als Selbstverwirklichung der absoluten Idee. Merkwürdig ist nur, daß dieser Prozeß über Jahrtausende hin gesellschaftlich in einer Art Larvenstadium verharrt: Ein Drittel reiche, zwei Drittel arme Menschen. Die Völker werden von Tag zu Tag härter darauf gestoßen, daß dieser schöne Geist nicht weiterkommt.
Hier setzte Ernst Bloch mit seiner Hoffnungsphilosophie eine der Materie innewohnende Tendenz zum Besseren, die dem Kampf der Menschen um obgenannte Harmonie sozusagen von innen heraus entgegenkommt. Es handelt sich bei diesem Prinzip Hoffnung mithin um ein Gemisch aus Weltgeist und Menschendrang. Das nimmt sich passabel aus. Leider wird zu dem Letzteren nicht Genaues ausgesagt. Damit bleibt diese Philosophie hinter Marx zurück.
Die meisten Menschen können sich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, beziehungsweise werden von diversen Vordenkern daran gehindert, daß die Welt an sich sinnlos ist, daß es auf die Sinngebung durch sie, die Menschen, selber ankommt, auf eine Sinngebung, die von den menschlichen Gesamtinteressen bestimmt wird, und gegen die Sonderinteressen ganzer Klassen, Schichten, Staaten durchgesetzt werden muß.
Wenn es darauf ankommt, die Welt zu verändern (Marx), dann wird Hoffnung auf einen Geist, der so lange schläft, am Ende gar nicht da ist, abstrus.
Umsomehr Sinn gewinnt die Selbstbesinnung der Menschen. Alle bisherigen Gesellschaftsformen in ihrer Aufeinanderfolge, bis hin zum Kapitalismus, entwickelten sich urwüchsig und waren von vorweils geringerer Ordnung, aber größerer Wahrscheinlichkeit: der Sozialismus hingegen wäre ein Zustand von größerer, nämlich künstlicher Ordnung, dafür bis dato geringerer Wahrscheinlichkeit, ein Zustand der gemeistert werden will.
Hier tun sich Räume für Spielarten von intellektuellem Skeptizismus auf. Bei immer drängenderer Notwendigkeit, über ihren Schatten zu springen, werden die Menschen sich davon nicht lähmen lassen. Auf den Organisationswillen des optimistischen Menschengeistes kommt es an, nicht auf die Hoffnung in einen diffusen Weltgeist.
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Kolleginnen und Kollegen,
da ich in Wahrnehmung eines anderen Termins zur gleichen Zeit (PDS-Landesparteitag) an dem heutigen Symposium zum Thema Offenheit, Stasi-Vorwurf und wie weiter? nicht teilnehmen kann, andererseits davor nicht ausscheren möchte, so sei mir gestattet, meine Auffassung schriftlich vorzulegen.
aus dem Brief an die Redaktion der KAZ:
Schriftsteller sind berufen, die Zeichen der Zeit wahrzunehmen, umso mehr, als viele Medien die Zeitzeichen verschleiern. Wenn nach der neuen Moralvorgabe der verordnete Antifaschsimus in der DDR ein Verbrechen gewesen sein soll, dann ist die gleichfalls, nur subtiler, verordnete Aufarbeitung der DDR-Geschichte, der verordnete Antikommunismus das Pendant dazu. Ich bedauere, daß sich der Verband der Schriftsteller dafür einspannen läßt.
Diese nötigende Ausrichtung soll nur verdrängen, daß es in der alten Adenauer-BRD niemals eine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit gegeben hat. Diese Ausrichtung soll ferner von den Waffen- und Müllschiebereien der heute Herrschenden, von ihrer alten expansiven Ostpolitik mit neuen Mitteln, auch von der vorsätzlichen Zertrümmerung der Wirtschaftsgrundlagen in den neuen Bundesländern ablenken.
Ich erkläre hiermit, daß ich die MfS-Psychose nicht mittragen will, solange diese einseitig gesteuert wird, und es keine Anzeichen dafür gibt, daß alle anderen Geheimdienste auf deutschem Boden mit der gleichen Vehemenz abgeschafft werden. Die einseitige Bewältigungskampagne bezieht ihre Motive aus der Doktrin von der DDR als Unrechtsstaat. Hätte denn ein Rechtsstaat mit einem Unrechtsstaat jemals einen Einigungsvertrag abschließen dürfen? Dieser verlogenen Praxis schließe ich mich nicht an.
Um die Verdrehtheit solcher Auflagen literarisch zu erinnern, gebe ich einen Sinnspruch aus der EDDA zu bedenken, er stammt aus Odins, des Kriegsgottes Runenkunde, und lautet:
Weißt du zu ritzen? Weißt du zu raten?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, daß Ihr diesen uralten Spruch zu deuten wißt. abgedruckt in der
Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.220, Juli 1991Gemütskommunist
Wortmeldung
zum 2. Parteitag der PDS (1991)
als quasi korrespondierendes Mitglied der KAZ sende ich hierbei meine Wortmeldung zum 2. Parteitag der PDS. Leider bin ich nicht drangekommen, wie viele andere. Solche Parteitage sind wie Strudel, wo die Korken oben schwimmen und die Steine untergehen. Inzwischen habe ich den Text auf der Aktivtagung in Cottbus vorgetragen und damit Bewegung in den Gemütern bewirkt. Es ward vom Parteitag auch versprochen, die nichtgehaltenen Reden in einem Material auszudrucken....
Erich Köhler
Kommunistische Arbeiter-Zeitung Nr.226 (Jan.1992)Die Frösche
Diskussionsbeitrag
auf dem Parteitag der PDS Dezember 91
"...Leider bin ich damit wegen der kurzen Redezeit nicht zu Ende gekommen. Anschließend drückten viele Genossen ihr Bedauern darüber aus. Es wäre daher schon schön, wenn die KAZ den Text in ganzer Länge einrücken könnte, zumal wir uns desselben nicht zu schämen brauchen. Ich habe den gleichen Text auch ans ND geschickt, aber dort druckt man nur, was gerade in einen mir nicht weiter bekannten konzeptionellen Kram paßt, so daß das Erscheinen nicht so sicher ist. Die Konzepte wenden sich dort auch immer mal wieder, offenbar je nach den Kräften, die gerade offensiv sind. Aber das ist in anderen Medien nicht anders. Es ist ein Ringen zwischen Fundis und Realos auch in der PDS. Auf welcher Seite ich dabei stehe, das ist klar, ich hoffe aber auch, dieses Ringen fände kein Ende oder werde nicht von einer Seite dominierend abgebrochen, denn nur so bleibt linke Politik, oder sagen wir besser Ethik, lebendig.
Ich wünsche Euch allen zum Jahreswechsel steife Ohren für das Jahr 1992. Erich."
(Der Diskussionsbeitrag wurde in der Ausgabe des ND vom 28./29.12.91 abgedruckt. - Die Red.)
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren
durften nicht länger quaken noch springen
versprachen sich aber im halben Traum
Fänden sie nur dort oben Raum
wie Nachtigallen wollten sie singen
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz
da ruderten sie, und landeten stolz
und saßen am Ufer, weit und breit
und quakten wie in alter Zeit.
(Frei zitiert nach J. W v. Goethe)
ein bißchen anders quaken sie schon, die jetzt am Ostufer weit und breit gelandet sind. Sie haben das nachtigallische Tremolo von der Rechtsstaatlichkeit angestimmt. Abgeordnete der PDS sind davon so ergriffen, daß sie das größte Bauernlegen seit dem Ausgang des Mittelalters, die Verschleuderung eines ganzen Volksvermögens, das Plattwalzen einer gewachsenen Kultur als bedauerliche Abweichung von der ansonsten zivilisatorischen Errungenschaft bürgerlicher Rechtsstaatlichkeit nichts desto trotz annehmen. Dabei entfällt, daß diese Errungenschaft das Ergebnis des erbitterten Kampfes aller Linkskräfte, voran des Proletariats, gegen diese Bürgerlichkeit darstellt. Von da ist es nur ein kleiner Schritt zum Abschwören der sozialistischen Alternative und zur Verleugnung beispielsweise der Satzungen der Pariser Kommune, die bekanntermaßen qua Rechtsstaatlichkeit zusammengeschossen wurde.
Kommunistische Arbeiter-Zeitung Nr.217 (April 1991)Hoffnung
Nachlese
zum Cottbuser Politfrühschoppen der PDS am 17.3.91
Kommunistische Arbeiter-Zeitung Nr.229 (April 1992)Verordneter Antikommunismus
An das Autorentreffen der VS Landesgruppe Brandenburg
(am 28. März 1992 in Potsdam)
Liebe Genossin Guggi,
... Auf dem Landesparteitag berichtete ein Genosse, der gerade vom Autorentreffen kam, über die Wirkung meines Briefes dort, was noch einmal viel Beifall brachte. In Potsdam sollte nämlich eine von wer weiß woher gesteuerte Stasiaufarbeitungspsychose aufgemacht werden. Die Kollegen verhielten sich reserviert. Dem Vorsitzenden blieb, um die Verlegenheit zu überbrücken, nichts anderes übrig, als meinen Brief vorzulesen, woraufhin eine gelöste Atmosphäre eintrat und die Diskussion in die richtige Richtung ging. Man faßte sogar den Beschluß, daß sich der Landesverband Potsdam nicht an anderslautende, scharfmacherische Beschlüsse auf dem kommenden Bundes-VS-Kongreß zu halten braucht. Ich hatte also den richtigen Riecher, und mein Brief tat seine Schuldigkeit. Das Jahr 92 soll offenbar den Durchbruch in Sachen Generalbeschuldigung der DDR-Bevölkerung und deren Unterwerfung unters Bonn-Joch bringen. Gegen die Brandenburger Autoren ist das vorerst mißglückt...
Herzliche Grüße
Erich Köhler
Weißt du zu färben? Weißt du zu fragen?
Weißt du zu wünschen? Weißt du zu weihen?
Weißt du zu schicken? Weißt du zu schlachten?
Euer Erich Köhler
KAZ -Kommunistische Arbeiter-Zeitung