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    Neuerscheinung
    Bucheinband der Neuerscheinung: Sture und das deutsche Herz

    Sture und das deutsche Herz
    -ein Troll-Roman
    Verlag KULTURMASCHINEN Berlin 2009


     

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    Erich Köhler
    Erzählungen und Buchauszüge
    Erich Köhler ca. 1990

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    W.I.Lenin:
    "Von der Zerstörung einer jahrhundertealten Ordnung zur Schaffung einer neuen"

    und

    W.I.Lenin
    Die große Initiative


    auf die Erich Köhler immer wieder verweist

     
    Sture-Buch-Einband

    Leseprobe aus:

    Sture und das deutsche Herz

     
    Bist nicht mehr der jüngste, Sturmführer

    Ich altere nicht, ich reife nur. Du aber sollst, ich mache mir den Spaß, Gelegenheit zur freien Rede haben wider mich, dort an der Mauer. Esse est percipi. Ich, Otto Schnittke, ermögliche dir dein Sein

    Sture bekommt Gegenstände in die Hand gedrückt, Farbsprüher und Megaphon. Er wird durch eine schreiende Menschenwüste gestoßen

    Und das da ist die Mauer. Links von dir stehen die Linken, dazwischen unsere Polizei, rechts wir. Good luck, Alter

    Unterm Arm das Megaphon, in einer Hand die Sprühdose, in der anderen einen Zettel, so steht Sture mit dem Rücken zur Wand, die sich kalt anfühlt, vor sich ein tausendköpfiges Ungeheuer. Er hebt das Megaphon. Er zögert. Rufer der Nacht, du mit deiner Blechtüte und den billigen Parolen: Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, Verhinderung der Bodenspekulation, gegen Mietwucher... Damals du in Nacht und Graus, von Hunden gehetzt, heute ich, und Nacht ist mir am hellen Tage. Der Sprechtrichter ist moderner, die Welt komplizierter geworden. - Leute, spricht er tonverstärkt, und schwenkt seinen Zettel, ich bitt euch, laßt mich durch. Ich werde im Amerikahaus erwartet, von einem Freundeskreis in Namensnöten. Man verspricht sich viel von mir

    Seid ihr noch alle da

    Jaaa

    Ich habe es mir nämlich überschlafen. Da kamen sie heraufgeschritten, jene Geister, die die Welt geschaut und ausgesprochen haben bis auf diesen Punkt und denen wir alle unser Wissen verdanken, auch die Starrkrampfformel, die nach Lösung schreit. Das Axiom heißt - Sture sprüht es an die Mauer, mit welcher Farbe, weiß er nicht

    E = m*c 2 + WER WEN

    Setzen wir das erste Glied vorsichtshalber in Klammern, so steht noch immer offen: Wer ist wer? Da ist das eine gleiche Wort des anderen Widersacher. Weißt du, Mann auf der Straße, wer dein Widersacher ist? Weißt du es aber, so unterscheide dich bewußt als sein genaues Gegenteil. Ist er ein Bilm, so sei ein Heinz. Denn kriechst du bei ihm unter, lösest du die Formel nicht. Er macht dich zum Automaten, der nur funktioniert, wenn in den Trichter Silberlinge eingegeben werden. Mache du dich zum Menschen, spucke ihm seine gepunzten Prägestücke ins Gesicht. Er haut dir nach getaner Arbeit ja doch auf den Scheitel, und stößt dich in die Seiten, um durch Erschütterung die eingegebenen Münzen wieder loszurütteln. Der Klems hat die ganze Menschheit zum Groschenautomaten gemacht. Kaum einer kann seinen Fuß vor den anderen stellen, seine Hände rühren, sein Gehirn regen, von der Toilettenfrau bis hin zum Wissenschaftler, bevor in diesen Schrein, wo einst das Herz gewesen, die Monete fällt. So wird der Mensch durch eingehämmerte Reflexe, geprägt in Wertsignalen, zum Leistungsautomaten gemacht. Die einen prägen und verwalten diese Bons und lassen sie nach abgestuften Wirkungsquanten in die Automaten klickern, der Toilettenfrau die Pfennige, dem Wissenschaftler die Zuwendung, dem Künstler Honorare, Preise, dem Geschäfts­mann die Handelsspanne, dem Arbeiter die Lohngroschen, dem Unternehmer den Profit, dem Teilhaber die Rendite, dem Bankier die Zinsen. Denn niemand ist von diesem Mechanismus ausgeschlossen. Die Eingeber selber stehen unter dem Zwang, daß sie stets mehr Münzen aus dem Riesenapparat herausholen müssen, als sie zuvor hineingesteckt, um wiederum mehr einzugeben. Das nennen sie Ökonomie. Die anderen stehen da und wissen nicht, wohin mit ihrer Fähigkeit, wenn kein Signal, kein Markenwert in Quanten pro Unze Feingold sie zum Handeln anregt. Glaubt mir nicht ohne weiteres, obwohl ich das studiert habe; erprobt es selbst. An euch, ein jeder. Man entziehe euch die buntgedruckten Zauberscheine und klingelnden Motive, und ihr lauft hilflos durcheinander, zeigt eure leeren Taschen, hungert, friert und darbt bei überquellender Natur. Das ist die Niederlage der Vernunft unter die Mechanik. Wahre menschliche Arbeit ist Arbeit für die anderen ohne numerische Spielmarken, persönliche Anwendung von Energie ohne Antrieb durch die Bänklerbank

    Sture besinnt sich, vergißt, den Trichter abzusetzen, atmet heftig, so daß die Massen dieses megaphonverstärkte Keuchen hören, fühlt eisige Ruhe glasklar in seiner Brust

    Laßt mich jetzt durch, oder ich sage euch Worte, die euch treffen, euch betroffen machen werden und verstören müssen

    Höhnisches Gelächter

    Wahre menschliche Arbeit, zitiert Sture, Wort für Wort betonend, wie zum Mitschreiben,... »ist unbezahlteArbeit zum Nutzen der Gesellschaft, die man leistet, nicht, um eine bestimmte Dienstpflicht zu erfüllen, Arbeit, die nicht nach vorher festgelegten gesellschaftlichen Normen geleistet wird, sondern freiwillige Arbeit, Arbeit ohne Norm, Arbeit, die geleistet wird, ohne auf Entlohnung zu rechnen, ohne die Bedingung der Entlohnung, aus der Gewohnheit, für das Gemeinwohl zu arbeiten, aus der zur Gewohnheit gewordenen Erkenntnis von der Notwendigkeit der Arbeit für das Gemeinwohl, Arbeit als Bedürfnis eines gesunden Organismus«... Und er fügt hinzu und legt den Stolz der eigenen Erfindung hinein: Arbeit nicht nach mechanistischen Motiven, sondern nach Vernunft und Würde, wozu die allgemeinen Voraussetzungen zu schaffen sind. Dies ist die Übertragung der Formel hinter mir auf das Gebiet der gesellschaftlichen Produktion

    Stures Stimme, obschon tonverstärkt, verhallt (mal wieder) in offenen Mäulern, eine wahrhaft schallschluckende Kulisse. Die Polizisten, fürwahr das einzige Korps dahier, das einmal ganz umsonst drauflosdreschen möchte, wenigstens gegen links, wippen mit ihren Schlagstöcken. Will uns dieser ver-, oder ist er selber? Ist er nur boshaft, was verzeihlich wäre, oder irrsinnig? Wir können doch nicht. Wir können doch nicht einfach. Die Banken abschaffen, die wir bewachen, von denen wir unseren Polizeisold kriegen. Was soll denn ohne Geld aus all den vielen Dieben, Gaunern, Betrügern, Räubern, Hehlern, Wucherern, kurzum, der ganzen Wirtschaft werden

    Menschenmassen rücken näher, links jene, die sich für Linke halten, rechts die GUBÖs, in der Mitte Polizei

    Nichts ist autoritärer, trichtert Sture, als die Macht der Banken. Die geldwertbestimmte Marktwirtschaft ist ein System geringerer Ordnung, aber herkömmlich größerer Wahrscheinlichkeit. Die Planwirtschaft ist ein System höherer Ordnung, aber bislang geringerer Wahrscheinlichkeit. An ihr nagt Entropie. Ich habe mich gestellt. Wer sich nicht stellt, wird niemals wissen, wer er selber, geschweige, wer wer ist. Sture fuchtelt mit der Sprühdose, nicht, um andringende Empörer abzuschrecken, aber just diese Wirkung kommt zustande. Die Automatengesellschaft kommt vom mechanischen Materialismus her. Der Mensch handelt darin nicht nach eigenem Willen, noch Verstand. Laßt euch das nicht vorkauen, denkt selber darüber nach. Nach dieser Formel da sieht die Welt ganz anders aus. Ihr muß entsprochen werden. Sture, in höchster Ausdrucksnot, mit dem Rücken an der Wand, will von einer neuen, nichtmechanischen Wirkungskette, einer wahrhaft menschenwürdigen Handlungskausalität sprechen. Er weist mit dem Sprechtrichter über die Mauer. Wohin sonst in dieser Angelegenheit soll er sich wenden. Die dort drüben wollen die blanke Automatik durchbrechen. Erste Ursache für alle folgenden Wirkungen sei der Plan als Ausdruck gemeinsamer Bedürfnisse. Dem soll der einzelne nach Kraft und Fähigkeit entsprechen. Doch mangelt es ihnen an Überzeugungskraft und kühner eigener Vorbildlichkeit. Darum halten sie die alten Automatenhebel zusätzlich in Bewegung und füttern die Einzelsysteme mit einer Art von Geld, das keins mehr ist. Teils ist das eine höhere Ordnung, aber durchsetzt mit minderen Zutaten. Glaubt mir, ich habe das studiert, wenn auch nichts davon aufgeschrieben. Nichts strebt in der Natur ohne Not vom Niederen zum Höheren. Alles fällt ohne Not vom höheren auf das niedere Niveau zurück. Dem habe ich mich gestellt. Euere Automatenwelt kann gar nicht tiefer fallen, es sei denn in die Barbarei zurück. Die Planwelt drüben, wenn auch eingetrübt, ist ein intelli... ein vernünftiger Ansatz, schutzbedürftig vor der Macht des Platten. Und nun laßt mich bitte durch, im Freundeskreis bedarf es meines Rates

    Sture, durch eine Änderung des Umfeldes irritiert, kehrt das Megaphon gegen außen. Da vernimmt er aus dem Schalltrichter ein verbissenes Näherrücken. Er zuckt die Achseln, läßt die Hände mit den Gerätschaften hängen, ruft dafür um so lauter: Etwas ist in Ordnung, wenn es funktioniert. Ist es eine Funktion von Klickerautomaten, diese Mauer einzurennen, wohlhin. Es wird, was danach sich dann dort verbreitet, darum nicht ordentlicher

    ( ... )

    Sture: Das Mittel ist erklärt. Arbeit als Ausdruck der Persönlichkeit, Arbeit nach der antimechanistischen Formel: Energie ist Arbeit durch Bewußsein im Quadrat. Andere nach mir werden es genauer sagen

    Von der Mauerfläche scheppert das Echo schnittkähsianischen Gelächters

    Sture: Der Klems muß profitieren, um zu wuchern, wuchern, um zu profitieren. Einen Ausweg aus diesem Kreislauf gibt es für ihn nicht. Meinst du, die Menschheit findet sich mit Auswegslosigkeiten ab? Wo der Bilwiß durch Felder und Wälder zischt, verdorrt die Erde. Am Ende bleibt die Notgemeinschaft aller Menschen übrig. Diese wird so und nicht anders arbeiten, wie ich es berufen habe. Immer wird es Rufer geben, in der Nacht. Jedes Menschlein mehr auf dieser Erde ist ein Nagel zu euerem Sarg

    Schnittke: Du fieberst, Thorson. Schau, was dir geblieben ist. Wenn wir diese Mauer eindrücken, der Rest, auf dem du liegst, bleibt stehn, mit deinem Gerippe obendrauf, als Denkmal für die Utopie. Darin sind wir mit denen drüben jetzt schon einig. Was du erfabelt hast, wird niemand je erleben

    Blut von Sture zieht in dünnen Fäden über die Weltformel. Er flüstert: Die Dimension der Utopie ist nicht die Ferne, sie ist das Hier und Heute allzumal, die Quadratur des Geistes stets in der konkreten Zeit. Hunderttausende haben sie gelebt, mehr noch werden sie leben. Ich habe mich gestellt