Dem Dichter und Philosophen
            Erich Köhler zum Neunzigsten

von Hinnerk Einhorn (28.12.2018)

Am 28. Dezember 2018 hätten wir seinen 90. Geburtstag feiern wollen. Aber der knorrige Mann aus dem Spreewald, den zeitlebens harte Arbeit und Entbehrungen geprägt hatten, war gefällt durch Herzeleid am 16.Juli 2003 von uns gegangen.

Die Rechtgläubigen und die Saubermänner hatten einander im Blick und im wendigen Würgegriff, während die westlichen Heilsbringer getrost ihre Schnäppchen einstreichen konnten.

"Als in Berlin 200 000 oder mehr Intellektuelle gegen etwas demonstrierten, aber nicht wußten wofür, da stand ich auf dem Güllerost inmitten unserer Aufzuchtrinder. Diese wollten gefüttert, gepflegt, betreut und getätschelt werden. Mein 'Sozialismus mit menschlichem Antlitz' war in diesem Falle den Tieren zugewandt."

Der Delinquent hatte in diesen Wendejahren nicht bereut und nicht abgeschworen - wie andere prominente "Informelle Mitarbeiter" - so gelenkig war er nicht, der Waldkauz aus Alt Zauche.

Sein Engagement für die deutsche Alternative DDR war unumstößlich. Tragikomisch, dass er sich in sarkastischer Schärfe über Leute geäußert hatte, die später selber als IMs enttarnt werden sollten...

Und auch der IM Köhler war längst im Visier der Hauptabteilung des MfS!

Erich Köhler hatte seine Maßstäbe jenseits der DDR gefunden - nicht ohne diese progressiv mitzubestimmen. Bereits 1963 war er mit seinen "Kiplag - Geschichten" in phantastische Gründe hinabgestiegen, wie man sie sonst nur von Jorge Luis Borges oder Edgar Allan Poe kannte.

In seinem Roman "Hinter den Bergen" von 1976 wurde eine ideale Gemeinschaft aufgebaut und scheiterte, mehr als zwanzig Jahre vor der Implosion der DDR.

Seine Industriereportage "Der Krott oder das Ding unterm Hut" hatte die seinerzeit gültigen Auffassungen von sozialistischem Realismus kräftig und nachhaltig durchgeschüttelt. "Welch ein Wirklichkeitsgewinn!" - jubilierten prominente Stimmen einer progressiven Ästhetik und Kunstkritik...

In seinem seit Beginn der achtziger Jahre entstandenen, aber erst 1990 erschienenen und kaum wahrgenommenem Trollroman "Sture und das deutsche Herz" durchschreitet der Erzähler die Etappen menschlicher Geschichte und kommt als Poet längst vor dem Ende der DDR zu deren Nachgesang. Der Seher Köhler war klüger, als der Genosse es sich eingestehen konnte und wollte.

Eine Kommission von Saubermännern hatte Köhler im April 2002 aus dem deutschen PEN gefeuert. Dagegen hatte der Dichter und Philosoph - sich erschöpfend - gekämpft wie einst Michael Kohlhaas für sein Recht und seinen guten Namen.