erschienen in:
Streitbarer Materialismus
Ausgabe Nr. 23
Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung
Stefan Eggerdinger Verlag München 1988

Ausgabe Nr. 23 - 1999

Michael Seiler

Währungen, die Geldware und der Kommunismus

Einleitung

Die moderne bürgerliche Ökonomie scheint weit erhaben zu sein über allem, was die ökonomische Wissenschaft vergangener Zeiten über das Geld wußte. Jetzt, bei der Einführung des Euro, werden detaillierte Abhandlungen geschrieben über die "Konvergenzkriterien", über die Frage, was zu tun sei, um die neue Währung stabil zu machen und welche wundersamen Eigenschaften denn bis dato die D-Mark stabil gehalten hätten. Aber eine Frage wird weder von Befürwortern noch Gegnern des Euro behandelt, nämlich in welchem Verhältnis die neuen Geldzeichen zum Gold zu stehen haben, das jahrhundertelang das Geld schlechthin war - und für das es auch bis heute keinen Ersatz gibt.

Allein die Erwähnung dieser Frage scheint so absurd zu sein, daß das nur jemandem möglich ist. der in längst vergangenen Vorstellungen ver­ haftet ist und mit dem sich keine ernsthafte Auseinandersetzung lohnt. Dabei hatten alle relevanten Währungen vor dem Euro wenigstens geschichtlich einen Bezug zum Gold. Und es war die bürgerliche Öko­ nomie, die in der Vergangenheit sogar versuchte, die Eigenschaften des Geldes aus den natürlichen Eigenschaften des Goldes abzuleiten.

Mit ihren wissenschaftlichen Vorgängern scheint die bürgerliche Ökonomie um so mehr die Marxsche Kritik hinter sich gelassen zu haben, weiß man doch, daß Marx den Wert einer Ware bestimmt sieht durch die in ihr vergegenständlichte gesellschaftlich notwendige Arbeit.

Insofern hat das Gold einen Wert wie andere Waren, wie aber bestimmt sich der "Wert" des Dollars, der DM oder des Euro?

Die bürgerliche Ökonomie begegnet der wissenschaftlichen Kritik vorzugsweise dadurch, daß sie die ökonomischen Verhältnisse für unerklärbar, jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung unzugänglich deklarierte.

Aber Tatsachen sind ein hartnäckig' Ding, und die aktuelle Krise weist darauf hin, daß auch die raffiniertesten Finanzkonstruktionen sich nicht darüber hinwegsetzen können, was die eigentlichen Quellen des gesellschaftlichen Reichtums sind - die Erde und die menschliche Arbeit.

1. Der gesellschaftliche Charakter der Arbeit
als das Gelddasein der Ware
und daher als ein Ding
außer der wirklichen Produktion

Das Geld ist einer der ältesten, aber auch einer der am meisten mißverstandenen Gegenstände ökonomischer Betrachtungen ("National­ ökonomie ist, wenn sich die Leute wundern, warum sie kein Geld haben" - Tucholsky /1/). /1/ Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke, Band 9, Seite 287, "Kurzer Abriß der Nationalökonomie", rororo 1985 /

Immer wieder wurde über die Frage nachgedacht, durch welche Eigenschaft es eine Ware dazu bringt, allen anderen Waren gegenüber­ zutreten, allen anderen als Maß ihrer Werte und als Tauschmittel zu dienen.


1.1. Der salto mortale der Ware

Wie aber Marx herausarbeitete, ist das eigentlich Bemerkenswerte etwas anderes, nämlich daß überhaupt der gesellschaftliche Charakter des Reichtums, der gesellschaftliche Charakter der Arbeit sich nur dadurch manifestieren kann. daß er als Ding außer der wirklichen Pro­ duktion existiert.

"Solange der gesellschaftliche Charakter der Arbeit als das Geldda­ sein der Ware und daher als ein Ding außer der wirklichen Produktion <_47_> erscheint, sind Geldkrisen. unabhängig oder als Verschärfung der wirk­ lichen Krisen, unvermeidlich."/2/

Hier zeigt sich der grundlegende Widerspruch der Warenproduktion, in der gesellschaftliche Arbeit immer als Privatarbeit geleistet wird und sich ihre Gesellschaftlichkeit erst im Verkauf manifestiert.

Dieser Widerspruch macht es notwendig, daß der in der Ware ver­ gegenständlichte Wert doppelt existieren muß, in der Ware und im Geld, das sie kauft. Erst im Tausch gegen Geld "realisiert" sich der Wert der Ware. Auch heute, wo der Weltmarkt von wenigen Monopolen beherrscht wird und ca. 1/3 der weltweiten Warenströme konzernin­ tern abgewickelt werden, kommt die Ware um diesen "salto mortale"/3/, die Verwandlung in Geld, nicht herum.

Der Kapitalismus ist die entwickelte Warenproduktion, aber er be­ ginnt sie zugleich aufzuheben. Die Arbeit wird in der Fabrik unmittelbar gesellschaftlich, freilich unter dem Kommando des Privatkapitalisten. Je mehr sich die gesellschaftliche Produktion entwickelt, umso mehr erweist es sich als Hindernis, daß sich die Gesellschaftlichkeit der Arbeit letztlich nur im Austausch gegen die Geldware realisiert, wäh­ rend andererseits die Vergesellschaftung schon längst unmittelbare Realität ist­ .

Als Arbeit für die ganze Gesellschaft zeigt sie sich nach wie vor erst im Verkauf, aber der Zwang zur ständig fortgesetzten Zirkulation und Verwertung des Kapitals führt dazu, daß Produktion, Verkauf, Einkauf neuer Produktionsmittel, neue Produktion, neuer Verkauf usw. nicht einfach brav und bieder nacheinander stattfinden können. Der Kapita­ list kann nicht auf das Geld des Käufers warten, bis sein Kapitalkreislauf weitergeht, und er kann ebensowenig sein brachliegendes Geldkapital einfach liegenlassen. Das Kapital bringt den Kredit hervor und wird damit noch in ganz anderem Maß gesellschaftlich. Damit wird auch das Geld als Metallgeld zum Hindernis. Das Kapital kann sich nicht dabei aufhalten, bis Goldmünzen oder Barren von einem Ort zum anderen transportiert sind. Es entwickelt sich das Kreditgeld.

/2/ Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie Band 3, Marx-Engels-Werke (MEW) Band 25, Dietz-Verlag, Berlin, Seite 533/
/3/ Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie Band 1, Marx-Engels-Werke (MEW) Band 23, Dietz-Verlag, Berlin, Seite 120/

1.2. Kreditgeld

Wie Marx im "Kapital" ausführlich nachweist, sammelt sich im Kapitalkreislauf, bedingt durch die unterschiedlichen Zirkulationsgeschwin­ digkeiten der verschiedenen Elemente des Kapitals, immer wieder Kapital in Geldform an. Z.B. geht die Maschinerie ganz in den Produk­ tionsprozeß, aber nur stückweise in den Verwertungsprozeß ein, d.h. das für die Maschinerie vorgeschossene Geld kehrt beim Verkauf der produzierten Waren stückweise zum Kapitalisten zurück, was buch­ halterisch als Abschreibung erfaßt wird. Kein Kapitalist aber käme auf die Idee, dieses Geld ca. 10 Jahre lang einfach festzuhalten, um es dann in eine neue Maschine zu verwandeln. Er muß das Geld sofort wieder in Kapital verwandeln, indem er es gegen Zinsen verleiht. Umgekehrt kann er bei Investitionen nicht warten, bis sich das nötige Geld bei ihm angesammelt hat, er wird es sich als Kredit beschaffen, sobald ihm die Investition profitabel erscheint. Solche Kredite entwickeln sich auch bei kurzfristigen Geschäften. Um den Verkauf seiner Waren zu be­ schleunigen, begnügt sich der lndustriekapitalist statt mit Geld mit einem Schuldschein (Wechsel) des Handelskapitalisten, mit dem er sei­ nerseits wieder wie mit Geld seine Lieferanten bezahlt. Solche Papiere, die auf Kreditbeziehungen beruhen, beginnen also wie Geld zu zirkulie­ ren (Kreditgeld), und es wird die spezielle Aufgabe der Banken, solche Transaktionen zu vermitteln, Banknoten werden die anerkannte Form des Kreditgelds.

Die Bewegung des Kredits koppelt sich immer weiter von der Bewegung der Geldware ab. Jeder Kapitalist geht freilich ein gewisses Risiko ein, daß der Wechsel, den er an Geldes statt annimmt, sich als wertlos erweist, daß er platzt. Aber viel wichtiger ist ihm, daß sein Kapital so in Bewegung bleibt, Mehrwert heckender Wert bleibt, statt als Gold fixiert zu werden. Er bleibt Kapitalist und nicht Schatzbildner, und "nur als Personifikation des Kapitals ist der Kapitalist respektabel"/4/, nur so erfüllt er seinen historischen Beruf, die Vergesellschaftung der Arbeit voranzutreiben.

/4/ Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie Band 1, a.a.O., Seite 618/

1.3. Grenzen des Werts als Maß des Reichtums

Genau mit dieser Entwicklung der Produktivkräfte aber entfernen sich nicht nur die zirkulierenden Geldzeichen vom Wert, sondern der Wert überhaupt wird ungeeignet als Maß des Reichtums.

"In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit, als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder - deren powerful effectiveness - selbst wieder in kei­ nem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissen­schaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung der Wissenschaft auf die Produktion.
...

Der wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr - und dies enthüllt die große Industrie im ungeheuren Mißverhältnis zwischen der ange­ wandten Arbeitszeit und ihrem Produkt, wie ebenso im qualitativen Mißverhältnis zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie bewacht.
...

Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt: sondern den Naturprozeß, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint. Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die große Industrie selbst geschaffne." /9/

/9/ Karl Marx: Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie. MEW Band 42, Seite 600 f. /

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Dieser Widerspruch spiegelt sich in verzerrter Form im Verhalten des Kapitals wieder, z.B. darin, daß es sich verstärkt bemüht, zusätzliche Quellen des Reichtums außer der unmittelbaren Ausbeutung zu er­ schließen, ohne zu wissen, daß es sich dabei letztlich nur darum handelt, daß ein Kapitalist dem anderen seinen Anteil am Mehrwert abjagt. Das Kreditwesen und die Spekulation gewinnen an Gewicht. Es erscheint als eine Eigenschaft des Geldes, sich dank geeigneter bloßer Form­ verwandlungen in mehr Geld zu verwandeln.

Damit wird beim Geld weniger wichtig, daß es möglichst genau den Wert ausdrückt, vielmehr ist wichtig, daß es sich möglichst effektiv vermehren kann (auch wenn diese Geldzunahme nur teilweise auf eine Wertzunahme zurückzuführen ist).

Die banalste Voraussetzung dafür ist, daß genügend "Geld" verfügbar ist, um seine ständige ungehinderte Vermehrung in den Händen der Geldbesitzer zu ermöglichen - noch heute wird die "Dollarknappheit" in den Anfangsjahren von "Bretton Woods" beklagt, die letztlich durch die Druckerpresse behoben wurde.

1.4. Die metallne Schranke des Reichtums

Die Schaffung von Reichtum, von Überschuß über das Lebensnotwendige, ist Ziel jeder Gesellschaft seit Auflösung der Urgesellschaft. Die Gesellschaft verschafft sich damit vor allem eines: frei verfügbare Zeit (disposable time). Es kennzeichnet die Gesellschaftsordnung, was sie daraus macht.

"Die Schöpfung von viel disposable time außer der notwendigen Ar­ beitszeit für die Gesellschaft überhaupt und jedes Glied derselben (d.h. Raum für die Entwicklung der vollen Produktivkräfte der Einzelnen. daher auch der Gesellschaft), diese Schöpfung von Nicht-Arbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Kapitals, wie aller früheren Stufen, als Nicht-Arbeitszeit, freie Zeit für einige." /6/ /6/ Karl Marx: Grundrisse, a.a.O. Seite 595 /

Für das Monopolkapital geht es nicht nur um freie Zeit für einige. Es kann seine Ökonomie nur betreiben, wenn es über zweierlei verfügt: Massenhaft frei verfügbare Arbeitskräfte und genügend "disposable money", um diese Arbeitskräfte jederzeit nach Bedarf kommandieren zu können. Die Verfügbarkeit ist dabei wesentlich wichtiger als der Wert, solange es seinen Zweck erfüllt, sich zu vermehren. Dabei tritt oft die Tatsache völlig in den Hintergrund, daß diese Vermehrung, soweit sie Vermehrung von Wert ist, nur dadurch stattfindet, daß das Geld als Kapital Arbeit und Mehrarbeit in Bewegung setzt. Auf den Finanzmärkten scheint es im Gegenteil darum zu gehen, einen möglichst großen Teil des zirkulierenden Geldes davon abzuhalten, im Austausch mit menschlicher Arbeitskraft "produktiv" zu werden.

Marx stellte fest, daß "mit der Entwicklung des Kreditsystems die ka­ pitalistische Produktion diese metallne Schranke, zugleich dingliche und phantastische Schranke des Reichtums und seiner Bewegung, be­ ständig aufzuheben strebt, sich aber immer wieder den Kopf an dieser Schranke einstößt" /7/ /7/ Karl Marx: Das Kapital. Band 3, a.a.O., Seite 589/

Heute erweckt das Kapital den Eindruck, es sei über diese metallne Sehranke völlig hinweg. aber nicht nur in Südostasien und Rußland zeigt sich, daß es sich "immer wieder den Kopf an dieser Schranke einstößt", womit nicht behauptet wird. diese Krisen seien mit genügend Gold zu lösen. Der Imperialismus hat sich heute so weit von der Geld­ ware entfernt, daß er nur um den Preis eines umvorstellbaren Rück­ schritts zum Gold zurückkehren könnte. Er hat sich also auch in dieser Hinsicht in eine Sackgasse manövriert. Die Verselbständigung von Geld und Kredit wird immer instabiler, der Rückweg zu wirklichem Geld ist versperrt, und die Abschaffung des Geldes ist nur möglich durch die Abschaffung des Kapitalismus.

2. Staat und "Währungspolitik"
im Zeitalter des Imperialismus

Während es Anfang des 19. Jahrhunderts noch oft andere Geldwaren gab, während zeitweise auch ungedeckte Geldzeichen ausgegeben wur­ den, setzt sich mit der Entfaltung des Konkurrenzkapitalismus der "Goldstandard' durch. Aber so wie der Konkurrenzkapitalismus mit dem Übergang zum Monopol endet, so überlebt sich auch der "Goldstandard". Er wird hinderlich für die weltweite Entwicklung der Trans­ aktionen, vor allem, seit der Kapitalexport an Bedeutung gewinnt.

Andererseits haben es die Monopole des Finanzkapitals immer weniger nötig, den Mehrwert in der Geldware zu fixieren. Denn während der Konkurrenzkapitalist für einen unbekannten Markt produziert und daher nur sicher sein kann, daß sich sein Kapital verwertet hat, wenn er den Wert und Mehrwert in Geldform in Händen hält, hat das mono­ polistische Finanzkapital sehr viel mehr Möglichkeiten, auch im gesamten Zirkulationsprozeß die maximale Verwertung seines Kapitals zu erreichen.

Bis 1914 überall anerkannt, bricht der Goldstandard mit dem 1. impe­ rialistischen Weltkrieg abrupt zusammen.

Damit erst beginnt "Währungspolitik". Zuvor waren die verschiede­ nen nationalen Währungen (deren Geltungsbereich auch nicht exakt mit dem Nationalstaat übereinstimmte) nur verschiedene historisch gewachsene Einheiten des Weltgeldes - ähnlich wie es auch verschiedene Maßeinheiten für das Gewicht und die Länge gab (wie Eugen Varga* zeigt, waren die Abweichungen vor 1914 minimal).

/*Eugen Varga: Das Geld. Seine Herrschaft in Friedenszeiten und sein Zusammenbruch während des Krieges.
E.N.Varga, Ausgewählte Schriften, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1982, Band 1, Seite 61 */

Der nationale Goldschatz, bisher nur "Puffer" zum Ausgleich der Zahlungsbilanz in Krisensituationen, wird kriegswichtig. Andererseits brauchen die imperialistischen Staaten unbegrenzten Kredit im Vorgriff auf künftige Kriegserfolge. Zwangsläufig steht am Ende bei den Verlierern eine Hyperinflation.

Durch die Aufhebung der Golddeckung erhielt der Begriff "Wechsel­ kurs" erst seine heute übliche Bedeutung. Der Wechselkurs, im Sinne des Wortes der Kurs der Wechsel in der jeweils anderen Währung, drückte allenfalls zeitweilige Schwankungen in dem Verhältnis der Währungen aus. Jetzt entspricht der Wechselkurs dem Austausch­ verhältnis der Währungen untereinander. Die Währungen und ihr Austauschverhältnis werden jetzt erst ein Thema in der Ökonomie.

Aber bemerkenswerter ist noch, daß auch nach Ende von Krieg und Nachkriegskrise trotz vieler Versuche kein Land dauerhaft zum Goldstandard zurückkehren kann. Zu sehr sind jetzt die Währungsfragen mit dem Kampf um die Neuaufteilung der Welt verknüpft.

Denn einerseits hat sich gezeigt, daß die eigenen Goldbestände <_53_> kriegswichtig sind, andererseits gewinnen nun die Wechselkurse und die Vorteile einer "Leitwährung" an Bedeutung.

Daher konnte nur die klare Dominanz eines imperialistischen Lan­ des eine neue Regelung hervorbringen und das geschah am Ende des 2.Weltkrieges mit dem Abkommen von Bretton Woods.

Die durch den 2.  Weltkrieg hergestellte Aufteilung der Welt mit der absoluten Vorherrschaft der USA in dem vom lmperialismus beherrsch­ ten Teil konnte nicht von Dauer sein, und ebensowenig die darauf basierenden Währungsverhältnisse. Das Ende der absoluten Vorherr­ schaft des US-Imperialismus in der westlichen Welt konnte kaum deut­ licher markiert werden als mit der Aufhebung der Golddeckung des Dollars, mit der das Ende des Währungssystems von Bretton Woods besie­ gelt wurde. An die Stelle einer mit Gold gedeckten Leitwährung tratet mehrere, von denen aber keine mehr mit Gold gedeckt ist. Das Aus­ tauschverhältnis der Währungen untereinander wird teils durch freies "floating", teils durch internationale Vereinbarungen bestimmt. An die Stelle der Relation der Währungen zum Gold tritt der "Goldpreis".

(Das Ganze passiert freilich nicht, weil das Gold unwichtig geworden wäre. lm Gegenteil: Der US-Imperialismus will seine Goldbestände behalten, um seine Position als führende imperialistische Macht zu ver­ teidigen. Deshalb hebt er die Golddeckung auf. Wie schon im 1. Welt­ krieg ist das Gold wichtig im Kampf um die Aufteilung der Welt - des­halb will man es nicht so leicht herausgeben.)

Obwohl aber der "Goldpreis" zunächst unaufhaltsam steigt, mit anderen Worten der Wert des Dollars fast ins Bodenlose fällt, kommt es nicht zu dem inflationären Zusammenbruch des Währungssystems, den man hätte erwarten können. Der "Goldpreis" stabilisiert sich nach etwa einem Jahrzehnt und bleibt seither - mit starken Schwankungen - in etwa auf dem gleichen Niveau. Und das, obwohl die "Geldmenge" keineswegs begrenzt wird.

Um das und daraus abgeleitete Maßnahmen wie den "Euro" zu ver­stehen, ist es notwendig, sich Gedanken zu machen über den Charakter der heutigen Währungen.

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3. Kredit- und Rechengeld und fiktives Kapital

3.1. Kommerzieller Kredit und fiktives Kapital

Um das Währungssystem nach dem Ende von "Bretton Woods" zu ver­stehen, muß man sich klarmachen, daß nicht mehr der kommerzielle Kredit. sondern fiktives Kapital die Grundlage der staatlich emittierten Währungen ist.

"Im Verlaufe der allgemeinen Krise des Kapitalismus verwandelten sich in wachsendem Maße die Staatsbanknoten aus echtem Kreditgeld, dessen Emission auf der Rediskontierung von Handelswechseln beruht, in Geld, das auf der Grundlage von fiktivem Kapital (beispielsweise Staatspapieren) emittiert wird. Das geschah zunächst in großem Maßstab während des ersten und zweiten Weltkrieges. Dieser Prozeß setzte sich in der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise fort. Durch diese Entwicklung haben auch große Teile des Buchgeldes und das für internationale Geld- und Kreditbeziehungen benutzte Geld diesen Charakter angenommen," /10/

Fiktives Kapital /11/ also Kredite, die wie Kapital verzinst werden, deren Gegenwert aber schon unproduktiv konsumiert ist, sind die "Grundlage" des heutigen Papiergeldes. Das heißt, war beim Kreditgeld noch die kommerzielle Transaktion, der gesellschaftliche Austausch realer Werte die "Sicherheit" hinter dem Geldschein, so ist es jetzt die Frage, ob der die Noten ausgebende Staat in der Lage ist, die anfallen­
<_55_> den Zinsen zu zahlen. Für die Frage, ob und in welchem Verhältnis eine Währung international akzeptiert wird, ist nicht allein entscheidend, welchen Gegenwert in Waren man für diese Geldsumme bekommt, sondern vor allem, wie hoch die (realen) Zinsen für Kredite in dieser Währung sind.
/11/ Karl Marx erklärt in Band 3 des "Kapital" den Begriff des fiktiven Kapitals:
"Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum Zins für für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forderung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen. Was der Staatsgläubiger besitzt, ist 1. ein Schuldschein auf den Staat, sagevon 100 Pfd. St.; 2. gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Steuereinnahmen, d. h. das jährliche Produkt der Steuern, für einen gewissen Betrag, sage 5 Pfd. St. oder 5%; 3. kann er diesen Schuldschein von 100 Pfd. St. beliebig an andere Personen verkaufen. Ist der Zinsfuß 5%, und dazu die Sicherheit des Staats vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der Regel zu 100 Pfd. St. an B verkaufen, denn für B ist es dasselbe, ob er 100 Pfd. St. zu jährlich 5% ausleiht, oder ob er durch Zahlung von 100 Pfd. St. sich einen jährlichen Tribut vom Staat zum Betrage von 5 Pfd. St. sichert. Aber in allen diesen Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital. ... Nichtsdestoweniger ... hat dies fiktive Kapital seine eigne Bewegung"
(K. Marx: Das Kapital, Band 3, Seite 482 f.)

Die "Theoretiker" und Praktiker des "Neoliberalismus", denen staat­liches Eingreifen in Wirtschaftsfragen ein Greuel und weltweite Finanz spekulation vorbildliche Unternehmeraktivität ist, sie alle hängen vom Staat ab, ohne die auf Staatsschuld ausgegebenen Banknoten wäre ihre "Ökonomie" gar nicht denkbar.

Das umlaufende Geld (soweit es zur Zirkulation des industriellen Kapitals notwendig ist - dieser macht nur noch den kleinsten Teil der spekulativ zirkulierenden Geldmenge aus) löst sich also nicht nur vom Gold, sondern auch vom kommerziellen Kredit.

Mit der Aufhebung der Golddeckung des Dollars und der Bindung anderer Währungen an den Dollar ist die letzte objektive Schranke für die Emission von Staatsbanknoten gefallen. Zugleich spielt die tatsäch­lich emittierte Menge an Scheinen und Münzen eine geringere Rolle, weil immer mehr Zahlungen "bargeldlos" abgewickelt werden, das Geld also nicht einmal mehr als Geldzeichen, sondern nur noch als Rechengeld in Erscheinung tritt.

3.2. Rechengeld

Diese Veränderung betrifft keineswegs nur Kapitalisten und Wert­papierspekulanten. Jeder Arbeiter ist davon betroffen, denn auch der Lohn wird in Form von Kreditgeld ausgezahlt. Fast zwangsläufig ging man dabei von der Barauszahlung zur Überweisung über, also vom Papiergeld zum Rechengeld. Was wenige Jahrzehnte zuvor nach völlig undenkbar war, ist heute selbstverständlich (ohne daß das irgendeinen Fortschritt bedeuten würde): Jeder Arbeiter ist Inhaber eines Bankkon­tos. Und nicht nur das, bei seinen Ersparnissen muß er wie ein Kapitalist darauf achten, wo er die meisten Zinsen (also "eigentlich" - oder besser gesagt: der Form nach - Anteil am Mehrwert) bekommt. Geld vermehrt sich nicht von selbst. Im Kapitalismus ist der Zins, mit dem sich verlie­henes Geld vermehrt, nichts anderes als ein Anteil an dem Mehrwert.

<_56_> den dieses Geld, als Kapital angewendet, durch die Ausbeutung fremder Arbeitskraft gebracht hat. Die Ideologen des Kapitals werden deshalb nicht müde zu behaupten, der Arbeiter sei an seiner eigenen Aus­beutung beteiligt. Die Zinsen allerdings, die ein Arbeiter auf seine Ersparnisse bekommt, reichen im günstigsten Fall hin, um die ständige Geldentwertung auszugleichen.

3.3. Voraussetzungen für das zeitweilige
"Funktionieren" dieses "Geldes"

Die Frage ist, wie dieses ungedeckte Kreditgeld auch nur zeitweilig funktionieren kann, ohne sich sofort als das zu erweisen, was es eigent­lich ist, wertloses Papier.

Daß dieses wertlose Papier doch über einen vergleichsweise langen Zeitraum als Geld fungieren konnte, das hat zu allererst gesellschaft­liche Ursachen, nämlich die Konzentration des Reichtums in wenigen Händen, andererseits die Verschuldung und Verelendung der Mehrheit der Weltbevölkerung und die Massenerwerbslosigkeit auch in den reichsten Industriestaaten, so daß dem Kapital Arbeitskräfte und Roh­stoffe im Überfluß zur Verfügung stehen, ohne daß es dazu jederzeit "reales" Geld vorweisen muß. Andererseits geben sich die Kapitalbesit­zer relativ großzügig gegenseitig Kredit, denn die gemeinsamen Interes­sen der Reichen stehen der riesigen Masse der Weltbevölkerung in einer Weise gegenüber, daß bei allen Kämpfen um die Beute bisher keiner ein Interesse hat, das wackelige Gebäude wechselseitiger Verschuldung zum Einsturz zu bringen. Das muß sich natürlich ändern bei der Verschärfung des Kampfs um die Neuaufteilung der Welt.

Die zweifellos inflationäre Entwicklung der Geldzeichen würde sofort zur völligen Entwertung aller beteiligten Geldzeichen führen, würde diese wachsende Geldmenge einfach der Warenmenge gegenübergestellt. Das kann nur vermieden werden, solange ein großer Teil dieser Geldmenge der realen Warenzirkulation entzogen wird, und das ist nur möglich durch den Kredit. Dieses Geld muß sich vermehren können, sonst ist es "wertlos". Der Kredit und davon abgeleitete komplexere Finanztransaktionen sind also notwendiger Bestandteil dieses Währungssystems. Aber dadurch wird aus Geld mehr Geld gemacht. Die <_57_> von der Warenzirkulation fernzuhaltende Geldmenge wächst, und das Problem verschärft sich weiter. Auf der Nase der hungernden Welt­brvölkerung tanzt immer wilder eine kleine Zahl von Spekulanten, deren gesellschaftlicher "Nutzen" nur darin besteht, möglichst viel Geld aus der Zirkulation herauszuhalten und die nützliche Verwen­dung dieses Geldes für den Aufbau von Industrien, für die Linderung der größten Not zu verhindern.

3.4. Zur Rolle der modernen Kommunikationsmittel

Das Funktionieren des ungedeckten Rechengeldes hat aber auch eine technische Seite, nämlich die Entwicklung der Kommunikationsmittel. In Zeiten, wo der Seeweg nach Indien Wochen dauerte, wo Nachrich­ten und Waren solange unterwegs waren, wobei nicht sicher war, ob sie überhaupt ankommen, in solchen Zeiten waren natürlich dem Kredit­geld enge Grenzen gesetzt. Wer Geld für einen Wechsel gab, ging ein erhebliches Risiko ein. Erst als im vorigen Jahrhundert solche Transporte zwar noch langwierig waren, aber eine große Regelmäßigkeit erreich­ten, konnten sich Wechselgeschäfte entwickeln. Aber das ist kein Vergleich zum heutigen Zustand. Waren werden schneller und sicherer transportiert, vor allem aber können Nachrichten innerhalb von Sekunden fast an jeden Platz auf dem Erdteil übermittelt werden, und zwar in einer Weise, daß sowohl die Übermittlung als auch die Authentizität sicher ist­.

Erst seit kurzem ist es mit dieser Technik möglich, finanzielle Trans­aktionen abzuwickeln (Transaktionen mit "elektronischer Unterschrift" sind zwar nicht vor Fälschungen gefeit, aber sicher nicht mehr davon bedroht als papierne Verträge). Schon länger aber ermöglicht sie, praktisch jederzeit zu wissen, was eine Währung "wert" ist, d.h. welchen Gegenwert man dafür bekommt, bzw. wie das Austauschverhältnis zu anderen Währungen ist. Wußte man im Mittelalter schon bei Münzen aus der übernächsten Stadt nicht sicher, was man dafür bekommt, so daß nur ihr Goldgehalt (den man seit Archimedes im Zweifelsfall überprüfen kann) Sicherheit bot, so kann man das heute von beliebigen Papierwährungen wesentlich sicherer wissen - wenn auch immer nur für einen kurzen Zeitraum.

<_58_> Das (zeitweilige) "Funktionieren" der heutigen Erscheinungsformen des Geldes ist also nicht zu trennen von der modernen Entwicklung der Mittel des Datenaustauschs. Daher neigen manche bürgerliche Autoren dazu, das Geld selbst als ein Mittel des Daten- (bzw. Informations-) aus­ tauschen zu betrachten./12/ Für diesen Vergleich spricht manches, aber Wesentliches wird dabei übersehen:

• Mittels Geld werden nicht nur Informationen ausgetauscht, son­ dem reale Werte. Besitz von Geld bedeutet Verfügung über ein bestimmtes Quantum gesellschaflicher Arbeit.

• Wenn es um Informationsaustausch geht, wozu das Geld bemü­ hen? Bei früheren Entwicklungsständen der Kommunikationsmittel war in der Tat der Preis, den eine Ware erzielen konnte, noch die zuver­lässigste Information über ihre Rolle im gesellschaftlichen Produktions prozeß (dies wohl auch in gewissem Grad in sozialistischen Ländern). Wenn heute umgekehrt der weltweite gesellschaftliche Informations austausch das Geld in der heutigen Form noch ermöglicht, dann kehrt sich hier das Verhältnis um, und es wird deutlich, daß man den nötigen Informationsaustausch wesentlich einfacher und effektiver ohne Geld und Wert bewerkstelligen könnte, wenn, ja wenn da nicht ein kleines Hindernis wäre: Das Privateigentum an Produktionsmitteln.

• Das Geld war immer ein sehr begrenztes und unzuverlässiges Mittel des Informationsaustauschs, unter den heutigen Umständen wird es in gesellschaftlicher Hinsicht völlig zum Mittel der Desinformation. Denn während heute weltweit zuverlässig finanzielle Transaktionen übermit telt werden können, während jeder Beteiligte binnen Sekunden feststel­len kann, was er für sein Geld irgendwo auf der Welt bekommen kann, hat die Entwicklung der Geldmenge niemand mehr unter Kontrolle, hat das Volumen dieser Finanztransaktionen nichts mehr zu tun mit dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeit. Gerade deshalb aber ist diese völ­lig abstrus anmutende Entwicklung der spekulativen Finanztransak­-<_59_> tionen notwendiger Bestandteil dieses Währungssystems, denn nur da­durch kann ein großer Teil dieser Masse ungedeckten Papiergelds der Zirkulution ferngehalten und so die ungebremste Inflation vermieden bzw. hinausgezögert werden./13/

Die explosionsartige Zunahme wertloser Geldzeichen seit Mitte der 70er Jahre bedeutet (wie in früheren Zeiten) nichts anderes als die Entwertung dieser Geldzeichen. Dem entspricht z.B. die gleichzeitige Zu­nahme der Aktienkurse, die in keinem Verhältnis mehr steht zu erwarteten Dividenden. Daß die Geldzeichen in den imperialistischen Län­dern - trotz einer ständigen Entwertung - relativ stabil erscheinen, liegt nicht an irgendwelchen wundersamen Eigenschaften der D-Mark und anderer Währungen, sondern daran, daß es den Imperialisten gelingt, den schlimmsten Teil der Inflation auf die große Mehrheit der Weltbe­völkerung abzuwälzen, auf die Völker der kolonialen und halbkolonia­len Länder. Da deren Währungen auf dem Weltmarkt nichts gelten, sind sie gezwungen, die "Leitwährungen" als Zahlungsmittel zu akzep­ tieren und mit ihnen zu zahlen. Schon seit dem vorigen Jahrhundert ist der Austausch von Nichtäquivalenten ein probates Mittel zur Ausplünderung der Welt durch eine Handvoll Industrieländer. Dieser kommt zwangsläufig zustande durch die unterschiedliche Produktivität der Ar­beit, jetzt aber wird diese Ausplünderung noch verschärft durch die unterschiedliche "Härte" der Währungen.

Die Verfügung über eine Leitwährung schafft in dieser Hinsicht besonders gute Möglichkeiten, denn alle anderen Länder sind gezwun­gen, in dieser Währung Reserven zu halten und ihren internationalen Handel in dieser Währung zu verrechnen.

Die modernen Kommunikationsmittel sind dabei ein großartiges Hilfsmittel für einen miserablen Zweck.

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3.5. Die Banken und
die gesellschaftliche Organisation der Arbeit

Wenn aber schon Marx und Lenin darauf hinwiesen, daß die Banken der Keim der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit sind, so gilt das heute noch in ganz anderem Maße.

"Das Banksystem ist, der formellen Organisation und Zentralisation nach, wie schon 1697 in "Some Thoughts of the Interests of England" ausgesprochcn, das künstlichste und ausgebildetste Produkt, wozu es die kapitalistische Produktionsweise überhaupt bringt. Daher die unge­heure Macht eines Instituts wie die Bank v. E. auf Handel und Industrie, obgleich deren wirkliche Bewegung ganz außerhalb ihres Bereichs bleibt und sie sich passiv dazu verhält. Es ist damit allerdings die Form einer allgemeinen Buchführung und Verteilung der Produktionsmittcl auf gesellschaftlicher Stufenleiter gegeben, aber auch nur die Form. Wir haben gesehen, daß der Durchschnittsprofit des einzelnen Kapitalisten, oder jedes besondren Kapitals, bestimmt ist nicht durch die Mehrarbeit, die dies Kapital in erster Hand aneignet, sondern durch das Quantum von Gesamtmehrarbeit, die das Gesamtkapital aneignet und wovon jedes besondre Kapital nur als proportioneller Teil des Gesamtkapitals seine Dividende zieht. Dieser gesellschaftliche Charakter des Kapitals wird erst vermittelt und vollauf verwirklicht durch volle Entwicklung des Kredit- und Banksystems. Andrerseits geht dies weiter. Es stellt den industriellen und kommerziellen Kapitalisten alles disponible und selbst potentielle, nicht bereits aktiv engagierte Kapital der Gesellschaft zur Verfügung, so daß weder der Verleiher noch der Anwender dieses Kapi­tals dessen Eigentümer oder Produzenten sind. Es hebt damit den Pri­vatcharakter des Kapitals auf und enthält so an sich, aber auch nur an sich, die Aufhebung des Kapitals selbst. Durch das Bankwesen ist die Verteilung des Kapitals den Hürden der Privatkapitalisten und Wucherer als ein bcsondres Geschäft, als gesellschaftliche Funktion entzogen. Bank und Kredit werden aber zugleich das kräftigste Mittel, die kapitalistische Produktion über ihre eignen Schranken hinauszutreiben, und eins der wirksamsten Vehikel der Krisen und des Schwindels.

Das Banksystem zeigt ferner durch die Substitution verschiedner For­men von zirkulierendem Kredit an Stelle des Geldes, daß das Geld in <_61_> der Tat nichts andres ist als ein besondrer Ausdruck des gesellschaftli­chen Charakters der Arbeit und ihrer Produkte, der aber als im Gegensatz zu der Basis der Privatproduktion stets in letzter Instanz als ein Ding, als besondre Ware neben andren Waren sich darstellen muß.

Endlich unterliegt es keinem Zweifel, daß das Kreditsystem als ein mächtigcr Hebel dienen wird während des Übergangs aus der kapitali­stischen Produktionsweise in die Produktionsweise der assoziierten Arbeit: jedoch nur als ein Element im Zusammenhang mit andren großen organischen Umwälzungen der Produktionsweise selbst."/14/
/14/ Karl Marx: Das Kapital. Band 3, Seite 620./

Die Bourgeoisie selbst entzaubert ihr eigenes jahrtausendealtes Heiligtum, das Geld. Indem sie es vom Gold loslöst, enthüllt sie, daß seine Funktion nicht aus einer übernatürlichen Eigenschaft dieses Metalls besteht, sondern nur besteht im Kommando über fremde Arbeit (wobei damit nicht gesagt ist, daß so das Geld besser verstanden wird). Sie macht damit deutlich, daß es für das Funktionieren der Wirtschaft nicht auf das Geld ankommt, sondern auf die sinnvolle Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit.

Daß es im Kommunismus kein Gcld mehr geben soll, schien vielen als kaum vorstellbare, realitätsferne Perspektive.

Tatsächlich aber hat der Kapitalismus längst mit der Aufhebung des Geldes begonnen.

Was im Kapitalismus nur dazu dient, möglichst schnell aus Geld mehr Geld zu machen, weist schon auf die Aufhebung des Geldes im Kommunismus hin. Für die Zirkulation und Verteilung der Produkte gesellschaftlicher Arbeitsprodukte ist es nicht mehr notwendig, diese Arbeit in einem fremden Gegenstand, dem Geld, darzustellen. was not­wendig ist, ist eine gesellschaftliche Rechnungsführung und die ist mit den neuen technischen Mitteln wesentlich effektiver, unbürokratisch und ohne Verzögerung möglich. Die Grundlage dafür aber ist und bleibt die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln.

Jede Gesellschaft, die nicht von der Hand in den Mund lebt, braucht - abgesehen von absoluten Notsituationen - einen Überschuß nicht nur, um akkumulieren zu können, sondern auch, um Zufälligkeiten (wie die unterschiedliche Entwicklung einzelner Produktionszweige, <_62_> des individuellen Konsum oder Naturkatastrophen) auszugleichen, ohne gleich in akuten Mangel zu geraten. Auch die beste Planwirtschaft wird solche Überschüsse brauchen, auch deshalb braucht die Gesell­schaft viel "disposahle time". Der Kapitalismus aber kann nicht mehr existieren, ohne bei beiden Quellen des Reichtums, der Erde und dem Arbeiter, über einen Überschuß zu verfügen. den er nur noch zum ge­ringsten Teil nutzen kann, während er zugleich den fürchterlichsten Raubbau daran betreibt. Das scheinbar unerschöpfliche Geld ist nur deshalb und nur insoweit etwas "wert", wie dieser ungenutzte Überschuß besteht und der sich seinem Kommando unterwirft.

erschienen im Heft

Streitbarer Materialismus Nr. 23
Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung
- Stefan Eggerdinger Verlag

München Juli 1999

Zur Frage der Arbeit im Kapitalismus
sowie im Sozialismus resp. Kommunismus
siehe auch:

M. Seiler: Thesen zur Mikroelektronik und zur industriellen Revolution


 

J.D. Bernal: Marx und die Wissenschaft (Auszüge)


 

W.I.Lenin: "Die große Initiative"


 

W.I. Lenin: "Von der Zerstörung einer jahrhundertealten Ordnung zur Schaffung einer neuen"


 

E. Rozsnyai: Warum muß man es beim rechten Namen nennen?


 

Erich Köhler: "Kulturpolitik"

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