Hartmut und Joana
oder Geschenk für Kinder
Filmerzählung
Hinstorff Verlag Rostock 1980
Einbandgestaltung und Illustrationen
von Klaus Ensikat
Szene 3
Ein PKW hält.
- Kinder, fahrt woanders Schlitten, hier ist es zu gefährlich
- Baust DU uns einen Berg
- Ach, Kinderchen, zuerst baue ich mal ein Werk
Der Mann fährt mit seinem Auto behutsam weg.
Szene 22
Wagner sitzt mit Haltung da. Um ihn her betreßte Männer, die zu achten er Anlaß hat.
Keiner von ihnen kann sich ein anderes Leben denn als Soldat, als Offizier, als Pionier
zumal, vorstellen. Hartmut gestattet sich weder Mimik noch Gestik. Im Herzen ist er
traurig. Er muß enttäuschen, den Kompaniechef, den väterlichen Major, die Heimat,
zumindest in dieser Beziehung.
Wagner spricht zögernd, fast tonlos:
- Ich, ich möchte schon
- Na also, selbstverständlich
- aber
- Irgendwelche Schwierigkeiten
- Es geht nicht. Soldat kann ich nicht bleiben
- So. Nicht bleiben. Und warum nicht
- Ich baue nämlich einen Berg
Die Offiziere schauen einander irritiert an.
- Was denn für einen Berg, Mann
- Einen ganz gewöhnlichen, aus Erde, in der Ebene
Der Kompaniechef bedeckt ganz unsoldatisch seine Augen. Der Major fragt:
- Wie denn, wie machen Sie denn das
- Ich? Mit der Schubkarre, in meiner Freizeit selbstverständlich
Der Zugführer hat eine Zündung:
- Pioniertechnik
Wagner schüttelt endlich doch den Kopf, schwermütig, bedächtig
- Ein Berg ist viel. Ein Berg ist viel zuviel. Das ist nicht bloß 'ne Menge, Sand, Erde, Steine, Schamotte oder so. Ein Berg ist ungeheuer viel, Geduld, Zeit, Strenge, Mühe, BEMÜHUNG. Das kann man nicht zusammenscharren, gewissermaßen, mit der Technik. Da muß viel mehr hineingesteckt werden, ein ganzes Leben
Die Gesichter der Offiziere erstarren.
Szene 44
Hartmut stapft, halb neugierig witternd, halb verlegen, in einer
Frauenbaracke umher.
Frauen fast jeglicher Be- beziehungsweise Entkleidungsstufe mustern ihn keck.
- Suchen Sie etwas, junger Mann
- Joana
- Ach die, die hat's verstanden
- Wo ist sie denn
- Na, wo schon, im Neubau
Szene 63
- Die kannst du abschreiben, Junge, die wercht sich hoch
Hartmut tritt ans Fenster und erschauert vor der Tiefe.
Neubauten, soweit das Auge reicht, teils rohbaufertig,
teils bewohnt, und immer noch Baukräne an der Peripherie.
Am Horizont qualmen Schornsteine. Rauchfahnen ziehen über die Stadt.
Wagner sucht einen bestimmten Geländepunkt. Dort ist das Wohnlager,
dort die Pappelallee und dort, dort ist ja der gesuchte Punkt,
ameisenhaft von Kindern überkrabbelt. Hertha ist hinter ihn getreten.
Sie klopft Hartmut mit hartem Knöchel an den Schädel.
Ernährst keine Familie,
sparst nicht auf'n Auto,
baust keine Datsche,
hast kein' Schrebergarten,
spielst nicht Lotto,
züchtest keine Karnickel,
sammelst keine Briefmarken,
säufst nur selten,
machst nie krank,
fährst nicht in Urlaub,
mußt nicht mal Alimente zahlen.
Junge, ich glaub, du bist nicht von hier
Szene 112
- Wer hat sich das bloß ausgedacht.
Wir können Planversäumnisse doch nicht mit einer inszenierten Masseninitiative kaschieren.
Wer in der Ebene lebt, hat Berge einzuplanen, kategorisch.
Folglich muß der Berg zum ordentlichen Planprojekt erhoben werden
Buch-Illustrationen von
Klaus Ensikat
mit freundlicher Zustimmung des Künstlers