Er stand zu seiner Geschichte.


 

Nachwort von
Leander Sukov zu
»Sture und
das deutsche Herz«

- Neuerscheinung 2009

Verlag KULTURMASCHINEN Berlin 2009

Der Kulturmaschinen Verlag hat mich gebeten, zu diesem Buch ein Nachwort zu schreiben. Es solle kurz sein, nicht zu viel vor­weg nehmen, von dem, was not­wendi­ger­weise noch geschrieben werden müsse über Erich Köhler, und es solle sich gleich­wohl mit der Wertig­keit des Werks Köhlers für die deutsch­sprachige Litera­tur beschäftigen und keinesfalls meine, dem Verlag und Petra Köh­ler, der Witwe, bekannte Position zum 'Rauswurf' aus dem PEN darzustellen versäumen.

Ich komme dieser, nicht einfach zu erfüllenen Bitte gerne nach.
Wer dieses Buch gelesen hat, weiß Eines und vermutet ein Zweites: Das Eine ist die ungeheure Sprach­kraft des Autors, sein Vermögen auf merk­würdige Weise, zugleich bis in die kleinste Ver­ästelung des Deutschen Sprache zu beherrschen und diese Sprache trotzdem ungezähmt und jenseits jeder intellektu­ellen Manie­riert­heit zu nutzen. Kaum einen zweiten Autor kenne ich, der Gleiches meistert; Günter Grass mag einer im Westen sein, Schernikau war einer in beiden Staaten und für jenes Gebiet, welches die Deutsche Demokratische Republik war, fällt mir Werner Bräunig ein. Ein paar gibt es, viele nicht, die Sprache so sehr als etwas ihnen Gehö­riges, etwas Eigenes begreifen und begriffen haben, wie es Erich Köhler tat.

Ich kenne Erich Köhler nicht anders als durch seine Bücher und die Erzäh­lungen der Witwe und der Genossen. Er mag in man­chen Fällen ein schwieriger Mensch gewesen sein, also einer, der war, wie wir alle sind. Ein kantiger Mensch, einer, der nicht in den Kreis gebogen war, an dem man sich stoßen konnte und den man also spürte und verspürte - das Zweite, das zu vermuten wäre.

Seine Kantigkeit, seine Unfähig­keit sich zu verbiegen, haben ihm die Mitglied­schaft im deutschen Pen-Zentrum gekostet. Man wollte eine Lüge, er log nicht; sie haben ihn geschaßt.

Erich Köhler war, unbestritten, Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staats­sicherheit. Er war es aus politischen Grün­den, aus dem Bestreben heraus, jene Republik zu schützen, die ihn mehr als einmal nötigte, Bücher zuerst in der Bundes­republik Deutschland zu veröffent­lichen. Zehn und mehr Jahre wartete er auf manche Druck­legung. Gleichwohl war ihm, bei aller Kritik - und Erich Köhler war kein Kritiker von der leichten, oberflächigen Sorte - an den Verhält­nissen in der DDR wichtig, ihre Grundlagen zu schützen; die Möglichkeit ihrer Weiter­ent­wicklung zu einem besseren Deutschland auch. Die halbe, nachlässige Liebe, die der Staat zu diesem Autor, der sein Autor war, empfand, schmälerte nicht seine Ver­woben­heit in die Arbeit für eine soziali­stische Zu­kunft, die ihm, wie vielen Anderen keine Utopie sein durfte und darf. Wie hätte er, der es doch stets vermied in seinen Zusammen­künften mit den offizi­ellen Mitarbeitern des Ministeriums Anga­ben zu machen, welche die Lebens­grund­lagen seiner Kollegen hätten gefährden können, wie hätte er es also mit sich selbst ins Reine bringen können, wäre er vor der Phalanx seiner Ankläger im PEN-Zentrum zu Kreuze gekrochen. Erich Köhler war ein über­zeugter Kommunist. Das allein beinhaltet schon, dass er zweierlei nicht sein konnte: Kritik­loser Ja-Sagen in der DDR und Denunzi­ant seiner eigenen Über­zeugungen in der BRD. Er hatte keine Wahl. Er stand zu seiner Geschichte. Er wollte nicht um Verzeihung bet­teln; nicht Vergebung, wo es für ihn nichts zu vergeben gab.

Die Vermutung, seine Auflehnung gegen den Hinauswurf wäre nichts anderes, als der Versuch eines Autors aus persönlichen, meinet­halben auch persönlich-literarischen Gründen im, als wichtigste Autoren­vereinigung angesehenen, PEN zu bleiben, verkennt nicht nur das Wesen Erich Köhlers, sondern das Offen­sichtliche. Die Schutzreden, seine öffentliche Erklärung und sein Antrag auf Wieder­aufnahme sind mehr als der Versuch, persönliche Ehre vor Kollegen wieder herzustellen. Sie sind vielmehr politische Arbeit, sie sind den Aktionen der Betroffenen und ihrer Unter­stützer ge­gen die Berufs­verbote in der BRD gleichzusetzen. In seiner Wehr­haftigkeit gegen den Ausschluss, hat Erich Köhler politische Arbeit gegen die vollständige Ver­ein­nahmung großer Teile des nun unge­teilten deutschen Literatur­betriebes durch jene geleistet, die sich wohlig eingerichtet haben im System der Profit­maximierung. Es ist beschämend für uns, für jene, die wie ich, Erich Köhler poli­tisch nahestanden, wie wenig wir geleistet haben, diesen Hinaus­wurf zu verhindern.

In seiner "Wortmeldung" schreibt Erich Köhler: "Deshalb fas­se ich noch einmal zusammen: Ich sah in der DDR die schutz­wür­dige Alter­native zur bisherigen deutschen Geschichte. Die Doktrin vom Unrechts­staat DDR trage ich nicht mit. Niemand kann an IM-Heinrich einen persönlichen Karriere-Knick reklamieren. Wenn es mich nicht so verdrösse, so könnte ich diese Tatsache mit meh­reren Exempeln schriftlich vorweisen." Und auch in seinen ande­ren schriftlichen Äuße­rungen macht er deutlich: Was geschieht ist ein politischer Akt und er beantwortet ihn politisch.

Das bundesrepublikanische PEN-Zentrum hat mit diesem Hinauswurf mehr verloren, als nur einen bedeutenden Autor. Es hat an Glaub­würdigkeit eingebüßt. Der Ehrenrat, dessen abschließende Formulierung lautet: "Eine weitere Mitglied­schaft Erich Köhlers im P.E.N. ist nicht zumutbar.", hat mit seiner Stellung­nahme ein Dokument geschaffen, welches, wie kein anderes im bundes­deutschen Literatur­betrieb dazu geeignet ist, die kalte Ar­roganz des - vermeintlichen - histo­rischen Siegers darzustellen.

Es darf - und wird - nicht gelingen, die großen Werke Erich Köhlers und mit ihnen den Autor aus dem Haus der Literatur zu verbannen. Seine stimmigen Bilder, seine großartige Sprache und die Ästhetik seines Werks werden die Zeiten überstehen. Das mag ihn von einigen jener unterscheiden, welche ihm den Stuhl vor die Tür setzten.

Der Kulturmaschinen Verlag wird in den kommenden Jahren weitere Werke Erich Köhlers, nach und nach, in sein Verlagspro­gramm aufnehmen. Dazu werden auch unveröffent­lichte Manu­skripte, philosophische Schriften und Notizen gehören.


siehe auch Leander Sukov:
Schriftsteller im Sozialismus, IM aus Überzeugung
zur Erich-Köhler-Reihe im Kulturmaschinen-Verlag
"unsere zeit" vom 12. Febr. 2010
Prolog in "Sture"
Leseprobe: Sture an der Mauer
Rezensionen zur Erstausgabe

zur Eingangsseite

Biografisches

Werke

.. und Texte

Rezensionen

Sekundärliteratur

P.E.N.-Ausschluss

Das Kleine Blatt

Zur Poetik
anderer Autoren

Impressum

 

Sitemap

 

 

Stichwortsuche:


powered by FreeFind

 

Erich Köhler:
Sture und das deutsche Herz.
Verlag Hinstorff, 1990
. 480 Seiten, Leinen
zu beziehen über die
Versand-Buchhandlung
Che & Chandler