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  zu Erich Köhlers PEN-Ausschluss  

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Beurteilung des Weskottschen "Forschungs"- Berichts

Rufmord an Erich Köhler
(Frühj. 2005)

Abschlussbericht des Ehrenrates

(2. April 2002)

"Gering- verursachte Schutzred"

(Dez. 1993)

"Wortmeldung"

zweite Stellungnahme

(Mai 2001)

dritten Stellungnahme

(April 2002)

vierte Stellungnahme

(April 2003)

Erklärung gegen den Ausschluss

(Sept. 2002)

Antrag auf Wiederaufnahme in den deutschen P.E.N

(Mai 2003)

Brief der Witwe Erich Köhlers an den Präsidenten des deutschen P.E.N.

(Okt. 2003)

 

 


aus: Konkret 06/02, S. 44

Peter O. Chotjewitz
Glückliche Hand mit Frau Krauße
Anmerkungen zur Darmstädter PEN-Tagung,
zu PEN-Tagungen anderswo und
PEN-Tagungen überhaupt
 
PEN-Tagungen erinnern mich immer an das Basenkränzchen meiner Großmutter in Kalisch, und auch auf der Homepage des Vereins wird der Surfer nur darüber belehrt, wie man sich in Literatenkreisen um die Kollateralschäden der herrschenden Weltordnung sorgt, nicht jedoch deren Fundamentalismus in Frage gestellt. Aber karitative Vereinigungen müssen die Unterordnung der Moral unter die Interessen der sozialen Gruppe hinnehmen, von deren Gunst sie leben.
Zum Ritual der Versammlungen in wechselnden Provinzkäffern wie Erfurt und Nürnberg gehören die alle Jahre wieder zumeist von einer Dichterin vorgetragenen Charts der verfolgten Autorinnen und Autoren in einem Dutzend Staaten der Achse des Bösen, die eine Raison d’être des PEN ist seit seiner Gründung durch eine piekfeine englische Lady im Jahre 1923. Einem Präsidialen entlockte der erschreckende Bericht im Jahr 2002 die leichtfertige Bemerkung, wenigstens in der Hinsicht werde dem Club die Arbeit zum Glück nicht so bald ausgehen - äh, leider.
Ob den Zuhörern diese Dialektik ihrer Betroffenheit bewußt war, muß man bezweifeln. Nie in all den Jahren der Flüchtlings- und Verfolgtenhilfe des PEN hat es einen hörbaren Protest gegen die Asyl- und Ausländerpolitik deutscher Ämter gegeben. Auch ob die Nato-Staaten irgendwie dafür verantwortlich sein könnten, daß in einem Großteil der Welt undemokratische Verhältnisse herrschen (und damit eben auch Verletzungen der westeuropäischen Bürgerrechte üblich sind), ist kein Thema. Zu mehr als Axel Springers Ermahnung aus den sechziger Jahren: »Seid nett zueinander« konnte der PEN sich niemals aufraffen. Daß man zunächst Verhältnisse schaffen muß, die es den bösen Menschen erlauben, auch mal so nett zu sein wie in den USA, wo die Schwarzen nicht einfach abgeknallt, sondern auf einem elektrischen Stuhl ganz legal beseitigt werden, kommt deutschen Schriftstellern nicht in den Sinn - jedenfalls nicht, wenn der jeweilige Oberbürgermeister das hören könnte.
So dient das Engagement des PEN für verfolgte Autoren (eine Spezies im übrigen, die es in der EU prinzipiell nicht zu geben scheint) auch dazu, den Fall vorzubereiten, daß Joschka Fischer die Entsendung von FriedenstrupPEN nach »Palästina« fordert, um weitere »Kriegsverbrechen« der israelischen Armee zu verhindern oder Scharping einen Grund zum Aufmarsch braucht, weil ihm träumte, George Bush habe gerufen: »The Germans to the front!«
Das klingt nach Verschwörungstheorie, ist aber belegbar. Die Verflechtung des deutschen Schriftstellerestablishments mit den Parteien und der politischen Beamtenschaft ist enger als man glauben mag. Bei meinem ersten Besuch beim PEN, 1969, ebenfalls im Frühjahr und in Darmstadt, kritisierte der damalige Präsident, Dolf Sternberger, daß die westdeutsche Autorenschaft es an der gehörigen Loyalität zu Staat und Bundesregierung fehlen lasse. Das hörte ich gern. Der Kanzler hieß Kiesinger, CDU, und Sternberger stand, ebenso wie sein Generalsekretär und sein Schatzmeister, auf der Honorarliste der »FAZ«.
Kurz drauf war es vorbei mit der Idylle. Der Schriftstellerverband (VS) wählte einen SPD-Bundestagsabgeordneten zum Präsidenten, der dafür sorgte, daß man auf allen Kongressen über Politiker wie Willy Brandt und Walter Scheel stolperte, und auch der PEN legte sich fortan Vorsitzende zu, die, wie Heinrich Böll, der Sternbergers Nachfolger wurde, mit der SPD sympathisierten. Sternbergers Ermahnung hatte also gewirkt, nur daß sie vorerst nicht der CDU zugute kam. Die holte später jedoch auf, indem sie die aus dem Osten einfallenden Dissidenten köderte.
Natürlich hatte die mit Willy Brandt einsetzende Staatsnähe der beiden großen Autorenverbände PEN und VS auch ihre guten Seiten. Als ich 1978 vor einer großen Strafkammer angeklagt wurde (Aufforderung zur Begehung von Straftaten, Verstoß gegen das Waffengesetz, das Paßgesetz etc., Mindeststrafmaß zwei Jahre), intervenierten die Vorsitzenden von PEN und VS zu meinen Gunsten. Ich saß damals im Präsidium des VS, und da hätte eine Verurteilung dumm ausgesehen.
Ich erhielt also eine Mitteilung des großen Vorsitzenden Bernd Engelmann des Inhalts, man werde sich über politische Kanäle beim Generalstaatsanwalt dafür einsetzen, daß das Verfahren gegen Zahlung einer happigen Geldbuße eingestellt werde. Falls ich mich aber weiterhin für eine Verbesserung von Haftbedingungen der Gefangenen aus der RAF einsetzen sollte und nicht sofort aufhöre, zu behaupten, im Hochsicherheitstrakt in Stuttgart seien Gefangene ermordet worden, könnten PEN und VS nichts mehr für mich tun. Das solle er mir auch vom Kollegen Gregor-Dellin ausrichten (der damals dem PEN vorstand).
Ich gab nach, versteht sich. Ein strafgerichtlich anerkannter RAF-Sympathisant war untragbar. Ob es statthaft ist, einen Staat zu bekämpfen oder ihm zu dienen, entscheidet immer noch die Oligarchie. Ein Autor namens Erich Köhler aus der Niederlausitz wurde in Darmstadt mit Zweidrittelmehrheit aus dem PEN ausgeschlossen, weil er bis 1989 dem falschen Staat gedient hat, ich wäre ausgeschlossen worden, weil ich Ende der siebziger Jahre dem richtigen nicht dienen wollte.
Im übrigen ging es mir nicht um den Rausschmiß. Heinrich Böll wollte mich schon 1972 rausschmeißen lassen. Grund: Olympiade in München, der PEN tagte in Köln, Thema »Sport und Literatur«. Irgendwann platzte die Nachricht ins Plenum, daß der westdeutsche Bundesgrenzschutz versucht habe, die von Palästinensern entführten israelischen Sportler auf dem Flugplatz von Fürstenfeldbruck zu befreien. Es wurde also eine Schweigeminute für die ermordeten Israelis angeordnet, und ich beantragte, auch der toten Palästinenser zu gedenken. Böll war ja Christ und tot waren sie alle. Da Deutschland jedoch noch keine Nation war, war es nicht üblich, sich um die Toten beider Seiten zu kümmern, wie es der PEN im Jahr 2002 in Darmstadt korrekterweise tat, wo auch die Israelis gebeten wurden, ihre Feindseligkeiten endlich einzustellen. Seid nett zueinander.
Nein, der Hauptgrund, warum ich Bernt Engelmann versprach, mich künftig nur noch um die Gefängnisinsassen in Killerstaaten wie Rußland, China, Türkei oder Irak zu kümmern, nicht aber in Deutschland, war Selbsterhaltungstrieb. Man geriet nämlich, als vermeintlicher RAF-Sympathisant, 1978 leicht mal in einen polizeilichen Schußwechsel auf einem schlecht beleuchteten Parkplatz, es gibt Beispiele, und für einen toten RAFler rührte kein PEN-Bruder einen Finger. Als der VS 1974 den Fall des toten Holger Meins diskutierte, drohte Günter Grass so lange mit seinem Austritt, bis die Resolution aussah, als hätte der sterbende Meins noch eben den Westberliner Kammergerichtspräsidenten Drenkmann mit in den Tod gerissen.
Das ist lange her, aber noch immer sind PEN und VS Partner der Sozialdemokratie. In seinem Schlußwort in Darmstadt bekundete Präsident Strasser noch einmal seinen Stolz über den Ausschluß des DKP-Mitglieds Erich Köhler, und er kleckerte auch gleich über das »Massaker von Erfurt«, das sich am Vortag ereignet hatte, die übliche Betroffenheitssoße: Gewaltvideos und Waffen in der Hand Jugendlicher. Offensichtlich kannte er bereits die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, die Schröder aber erst eine Woche später mit den Landesministern besprechen wollte.
Bei Strasser hat die telepathische Beziehung zur SPD Tradition. Sie liegt in seiner Parteikarriere begründet. Er weiß: In den Kernfragen der Nation schreckt sein Kanzlerwahlverein vor dem Klassenfeind am wenigsten zurück. Vor mir liegt ein Artikel von 1980, in dem er einen Publizisten beschimpft, der es gewagt hatte, die Uneigennützigkeit einer GeldsPENde von Franz Josef Strauß an die Gewerkschaft der schwarzen Madonna von Lech Walesa zu bezweifeln. Das war in der Zeit, als Strasser mit Grass und Carola Stern die antikommunistische Postille »L 80« herausgeben durfte. Die Partei fuhr damals zweigleisig. Die Schmidt-Regierung tat so, als habe sie sich mit der deutschen Zweistaatlichkeit abgefunden, und die sogenannten Linksintellektuellen mußten die sozialistischen Staaten bekübeln. Man nannte es »Wandel durch Annäherung«. Irgendwann würde die Zeit reif sein für die Annexion der DDR.
Mit seinem Kollegen im Amt des VS-Vorsitzenden, einem gewissen Herrn Breinersdorfer, verbindet den neuen PEN-Präsidenten der Glaube, es sei gut, Beziehungen zu haben, auch wenn die Kontakte zu hochgestellten Persönlichkeiten im wesentlichen aus Bauchpinseleien bestehen. Fred Breinersdorfer ist vielleicht noch eine Spur weniger Schriftsteller als Strasser, hat dafür aber mehr Chuzpe. In Stuttgart bewarb er sich vor einigen Jahren um ein Bundestagsmandat mit der Begründung, als VS-Vorsitzender könne er einiges für die Partei erreichen, und im VS positioniert er sich mit seinen angeblich guten Beziehungen zu Helga und anderen Prälaten der Partei.
Ich habe nichts gegen VS und PEN, aber sie sollten aufhören sich einzubilden, sie könnten für ihre Mitglieder etwas erreichen und zu behaupten, sie könnten einen nennenswerten Beitrag zur kulturellen und politischen Debatte leisten. Ich gehe gern zu den Versammlungen der beiden Vereine, aber ich hasse es, wie sie sich subventionieren lassen. Ich sehe alte Bekannte wieder, die mich nicht wiedererkennen, zuweilen auch gute Freunde und gelegentlich sogar einen Genossen von früher. PEN-Kongresse sind Veteranentreffen und manchmal ist es dann nicht mehr weit bis zur Totenehrung. Man trifft auch Autoren, die kaum einer kennt, und die trotzdem nicht schlechter sind, als die Asse der Literaturszene, die in den Charts stehen, sich in Talkshows rumlümmeln und sich auf Bonzenparties mit Vornamen anreden lassen. Der ganze Literaturbetrieb ist peinlich und hat mit Literatur wenig zu tun.
Das Techtelmechtel zwischen Literatur und Politik ist nur typisch für das Juste-milieu der Bundesrepublik, und wer wen braucht oder mißbraucht, ist unklar. Die Vereinsmeier und literarischen Hofschranzen brauchen die Politiker und Beamten, denn sie leben von ihren Brosamen. Die Lesungen, die VS und PEN veranstalten, die Weltreisen und Empfänge der PEN-Präsidien, die Literaturbüros, Literaturhäuser, Literaturpreise und was es sonst noch an kleinen Privilegien für den Wirtschaftszweig Literaturproduktion gibt, hängen am Tropf der öffentlichen Hände, und hinter jedem Zuwendungsbescheid einer Behörde steht der persönliche Kontakt zwischen einem Literaturfunktionär und einem Beamten, der von einem Politiker gedeckt wird. Die politische Entmündigung der Schriftsteller in Deutschland ist die Folge eines Deals mit der Politikerklasse, dessen Wert auf Heller und Pfennig zu beziffern ist.
Der Wert dieser Messaliance für die Politik ist fragwürdig. Immerhin mag es der Staatsbürger, wenn Lokalpolitiker ihm zeigen, daß sie seinen Feierabend ernst nehmen: Ein bißchen gute Musik hören, ein bißchen was lesen, vielleicht auch mal ins Theater. Ob Großveranstaltungen, wie sie zur Zeit an Schröders Hof in Berlin Usus sind, diesen Zweck erfüllen, bezweifele ich. Sie drohen den Kanzler in den Strudel der Peinlichkeiten zu ziehen, etwa wenn der Malerfürst Markus Lüppertz die Farbe für den Wandanstrich im Kanzleramt abtönen darf oder die literarischen Berater offensichtlich inkompetent sind.
Wenn ich Kanzler wäre, würde ich als erstes den Referenten entlassen, der die Idee hatte, mich neben Martin Walser und Christoph Dieckmann zu setzen, um über »Nation, Patriotismus und demokratische Kultur« zu disputieren. Ein solches Thema ist indiskutabel. Für den Referenten spricht nur, daß Schröder die beste Figur auf dem Podium abgab. Kein Wunder bei solchen Sparringspartnern.
Zu den Höhepunkten jeder PEN-Tagung gehören die Empfänge. Da stehen an die hundert gestandene Autoren in irgendwelchen Sälen herum, die allein schon eine Kulturschande sind und gegen die Charta verstoßen, lauschen den Reden von Oberbürgermeistern, Kulturreferenten und Landesministern, den bedächtigen Erwiderungen ihres Vereinsvorsitzenden (Präsidentinnen gab es im PEN bisher nie) und warten auf das Buffet. Seit 33 Jahren plane ich eine Anthologie Reden deutscher Oberbürgermeister, die ein größerer Lacherfolg wäre als Jürgen Roths und Rayk Wielands legendärer Sampler Öde Orte, bisher jedoch vom Urheberrecht verhindert wurde. Ich kann deshalb allen Freunden des politischen Kabaretts nur empfehlen, dem PEN beizutreten. In Darmstadt sprach eine Kultusministerin namens Wagner. Das ist die, der Roland Koch sein Amt als Ministerpräsident verdankt. Allein, daß sie ungestört reden durfte und niemand im PEN ihren sofortigen Rücktritt verlangte, ist bitter.
Auf das Buffet folgt zumeist eine Podiumsdiskussion, die ich ebenfalls seit 33 Jahren ertrage, indem ich vorher mehr trinke, als der Leber gut tut, und mir hinterher die Kante gebe. Die Diskussionen sind meist einem Thema gewidmet, das der Zunft unter den Nägeln brennt. Da zetern dann empörte Verlagsmitarbeiter und Autoren darüber, daß das Kapital auch auf dem Literaturmarkt dazu neigt, Profite zu machen, gigantisch zu wachsen und sich zum Schluß mit einem großen Knall selbst zu vernichten. Oder ein Literaturwissenschaftler und ein Fernsehjournalist sollen darüber debattieren, ob das Fernsehen von Nachteil ist für die Dichtkunst, die Freiheit des Wortes und andere bedrohte Begriffsarten, finden aber raus, daß es ihnen eher nutzt, denn schlechter als die neue deutsche Literatur sind die Drehbücher für »GZSZ« auch nicht.
Am stärksten aber liebe ich Punkt eins der Tagesordnung. Er kommt noch vor den Geschäftsberichten, in denen sich die Trostlosigkeit des Alltags eines Generalsekretärs ausbreitet. Zu den Erfolgsmeldungen von Darmstadt gehörte die Verpflichtung einer neuen Büroangestellten, die Strasser zu der Bemerkung hinriß, »daß wir mit Frau Krauße wiederum einen Glücksgriff getan haben«.Punkt eins geht so: Gemessenen Schritts und mit ernster Miene schreitet eine handverlesene, garantiert trauerarbeitsfähige Schar ans Rednerpult und gedenkt in einer kurzen Trauerrede der verblichenen Vereinsmitglieder. Es sind dies die einzigen Augenblicke, wo wirklich mal was rüberkommt, denn der PEN ist vermutlich der einzige Freundeskreis, dessen Angehörige sich zu Lebzeiten ignorieren. Man kennt sich vom Sehen, man ißt und trinkt miteinander, und erfährt per Zufall vielleicht auch ein paar Namen, um sie bis zum nächsten Jahr wieder zu vergessen. Erst durch den Tod erfährt man, wer ein gewisses Mitglied war, was er schrieb und wie er lebte, hat nun aber die Schwierigkeit, mit dem Namen des jetzt endlich in vagen Umrissen bekannten Toten eine Erscheinung oder auch nur ein Gesicht oder ein persönliches Erlebnis zu verbinden.
Warum der als Autor mir ebenfalls unbekannte Erich Köhler in Darmstadt rausgeworfen wurde, sei kurz geschildert, auch daß nicht alle dafür waren. Zwerenz war dagegen, weil er überhaupt keinen rausschmeißen möchte. Otto Köhler plädierte auf partielle Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten. Sein Namensvetter sei ein sauschlechter Autor und habe zudem einen Dachschaden. Leider vergaß Otto zu erwähnen, daß, wenn diese beiden Mankos ein Ausschlußgrund wären, einige Dutzend Mitglieder rausfliegen müßten. Die übrigen rund 25 Gegner des Ausschlusses äußerten sich nicht - wie üblich.
Köhler hatte kein faires Verfahren. Kein Verteidiger kannte die Akten. Keiner wußte, ob der Ehrenrat alle Akten zur Verfügung hatte, ob er sie korrekt gelesen und objektiv interpretiert, die richtigen Schlüsse aus ihnen gezogen und danach den einzig möglichen Antrag gestellt hat - Köhler auszuschließen. Was vorlag, war Köhlers Rechtfertigung, er habe niemandem geschadet, auch nicht der Freiheit des Wortes, und sein Geständnis. Er habe Berichte verfaßt für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Das sei er sich als Kommunist und seinem Land schuldig gewesen, um es vor den Angriffen aus dem Westen zu schützen.Der Fall war nicht uninteressant. Ihn zu debattieren, wäre zumindest recht unterhaltsam gewesen. Ein paar PEN-Brüder und eine Menge Kulturschaffende außerhalb hätten wahrheitswidrig bestreiten müssen, bis 1989 mit konspirativen Mitteln die Opposition in der DDR unterstützt und gegen die Gesetze des Staates verstoßen zu haben. Zu diskutieren wäre gewesen, ob ein Staat in einer Übergangsgesellschaft, der das Ziel hat, eine sozialistische Ordnung aufzubauen, das Recht hat, seine Gegner zu bekämpfen, so wie der Staat BRD sich das natürliche Recht nimmt, die Gegner der freiheitlich-demokratischen Grunzordnung zu bekämpfen.
Man hätte fragen können, ob nicht auch diese Ordnung die Freiheit des Wortes permanent bedroht und vermindert, und deshalb alle Autoren, die sie verteidigen, ebenfalls ausgeschlossen werden müßten. Man kann die Grundrechte auch mit einem Aktienpaket außer Kraft setzen. Man hätte sogar einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz entdecken können, denn unbestritten ist, daß es im PEN noch immer Mitglieder gibt, die für westliche Geheimdienste gespitzelt haben.
Doch nicht einmal ein veritables Verfahrenshindernis fiel dem Präsidium auf. Erich Köhler wurde erst 1992 in den PEN aufgenommen, als es keine DDR und kein Stasi-Ministerium mehr gab. Er konnte also nicht gegen die PEN-Charta verstoßen, denn diese galt natürlich immer nur für Mitglieder.
Also, ich freue mich schon aufs nächste Jahr in Schwerin. Vielleicht mit Günter Grass und einer schönen Gustloff-Ehrung und einer Podiumsdiskussion, vielleicht zum Thema: »Der Ostseeraum in seiner historischen Bedeutung für die Freiheit des Wortes«. Dann wird Kotzebue posthum ausgeschlossen wegen seiner Spitzeldienste für den Zaren.
Replik von Otto Köhler

in konkret Nr 07/02:
 
Gegen Dachschaden
 
KONKRET 6/02: »Glückliche Hand mit Frau Krauße«
von Peter O. Chotjewitz
 
Peter O. Chotjewitz und ich sind so sehr ein Herz und eine Seele, wenn auch gewiß nicht von einer Formulierungskraft, daß er seine und meine Äußerungen auf dem PEN-Kongreß in Darmstadt durcheinander brachte. Peter schreibt im Zusammenhang mit dem Ausschluß des ostdeutschen Autors Erich Köhler aus dem PEN: »Otto Köhler plädierte auf partielle Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten. Sein Namensvetter sei ein sauschlechter Autor und habe zudem einen Dachschaden. Leider vergaß Otto zu erwähnen, daß wenn diese beiden Mankos ein Ausschlußgrund wären, einige Dutzend Mitglieder rausfliegen müßten.« Ich habe gesagt, daß sich Erich Köhler mit seiner eigenen Verteidigungsrede keinen Gefallen getan habe. Das Wort »Dachschaden« habe ich nicht gebraucht, ich erinnere mich allerdings, daß Peter nach der Diskussion im Gespräch mit mir dieses Wort im Zusammenhang mit Erich Köhler benutzte. Auch habe ich nie gesagt, daß mein Namensvetter ein »sauschlechter Autor« sei. Vielmehr habe ich stets betont, daß ich zwar noch nichts von Erich Köhler gelesen habe, doch soll er, nach allem, was ich über ihn erfahren habe, einige gute Sachen geschrieben haben.
Im übrigen habe ich nicht vergessen zu erwähnen, ich habe vielmehr ausdrücklich erklärt, daß einige Westmitglieder den PEN verlassen müßten, wenn auch eine Zusammenarbeit mit westlichen Staatssicherheitsorganen und Agentendiensten im PEN verfolgt würde. Daß der dem Plenum vorgetragene Bericht der Ehrenkommission keinen konkreten juristischen Tatbestand nannte, auf Grund dessen Erich Köhler auszuschließen sei, habe ich in der Diskussion ausdrücklich gerügt.
Otto Köhler
Hamburg

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