übernommen aus
Mao Tsetung - Ausgewählte Werke Bd. V
(S.434-476; Anmerkungen ergänzt mit solchen aus
"Vier philosophische Monographien von Mao Tse-Tung" 1968)
Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1978

Über die richtige Behandlung
der Widersprüche im Volk

Rede von Genossen Mao Tsetung auf der
II. (erweiterten) Tagung der Obersten Staatskonferenz.

Sie wurde am 19. Juni 1957 in der Renmin Ribao veröffentlicht, nachdem der Verfasser den Text des Stenogramms durchgesehen und einige Zusätze gemacht hatte. (27. Februar 1957)

Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk -— das ist ein Sammelthema. Zur Erleichterung der Darstellung ist es in zwölf Unterthemen gegliedert. Dabei wird auch von den Widersprüchen zwischen uns und dem Feind gesprochen, aber der Schwerpunkt ist, die Widersprüche im Volke zu erörtern.

1. WIDERSPRÜCHE VON ZWEIERLEI CHARAKTER

Nie war unser Land so geeint wie heute. Der Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution und der sozialistischen Revolution sowie die Erfolge beim Aufbau des Sozialismus haben das Antlitz des alten China sehr rasch verändert. Jetzt sehen wir eine noch lichtere Zukunft der Heimat vor uns. Der vom Volk verabscheute Zustand der Zersplitterung und des Chaos des Landes ist für immer dahin. Geführt von der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei, schafft unser 600-Millionen-Volk einmütig am großen Werk des Aufbaus des Sozialismus. Die Einheit des Staates, die Geschlossenheit des Volkes und aller Nationalitäten des Landes — das sind die grundlegenden Garantien für den sicheren Triumph unserer Sache. Das bedeutet aber nicht, daß es in unserer Gesellschaft keinerlei Widersprüche mehr gäbe. Die Vorstellung, daß es keine Widersprüche gebe, ist eine nicht der objektiven Wirklichkeit entsprechende und naive Vorstellung. Wir sehen uns zwei Arten von gesellschaftlichen Widersprüchen gegenüber <435> — Widersprüchen zwischen uns und dem Feind sowie Widersprüchen im Volke. Diese beiden Arten von Widersprüchen sind ihrem Wesen nach grundverschieden.

Um diese beiden verschiedenen Arten von Widersprüchen richtig zu verstehen, muß man sich vor allen Dingen darüber klarwerden, was unter "Volk" und was unter "Feind" zu verstehen ist. Der Begriff "Volk" hat in verschiedenen Staaten und in verschiedenen historischen Perioden eines jeden Staates verschiedenen Inhalt. Nehmen wir unser Land als Beispiel! Während des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression gehörten alle antijapanischen Klassen, Schichten und gesellschaftlichen Gruppen zum Volk, während die japanischen Imperialisten, die chinesischen Landesverräter und die projapanischen Elemente Feinde des Volkes waren. Während des Befreiungskrieges waren die USA-Imperialisten und ihre Lakaien, die bürokratische Bourgeoisie und die Grundherrenklasse sowie die Kuomintang-Reaktionäre, die diese Klassen vertraten, die Feinde des Volkes, während alle anderen Klassen, Schichten und gesellschaftlichen Gruppen, die diesen Feinden entgegentraten, zum Volk gehörten. In der gegenwärtigen Etappe, in der Periode des Aufbaus des Sozialismus, gehören zum Volk alle Klassen, Schichten und gesellschaftlichen Gruppen, die den Aufbau des Sozialismus billigen, unterstützen und dafür arbeiten; dagegen sind alle gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen, die sich der sozialistischen Revolution widersetzen, die dem Aufbau des Sozialismus feindlich gesinnt sind und ihn zu untergraben versuchen, Feinde des Volkes.

Die Widersprüche zwischen uns und dem Feind sind antagonistische Widersprüche. Was die Widersprüche im Volk betrifft, sind die unter den Werktätigen nicht antagonistisch, während die Widersprüche zwischen den Klassen der Ausgebeuteten und der Ausbeuter neben ihrem antagonistischen auch einen nichtantagonistischen Aspekt haben. Widersprüche im Volk gibt es nicht erst jetzt, aber ihr Inhalt ist in jeder Periode der Revolution und in der des sozialistischen Aufbaus verschieden. Zu den Widersprüchen im Volk gehören unter den gegenwärtig in China bestehenden Verhältnissen: Widersprüche innerhalb der Arbeiterklasse, Widersprüche innerhalb der Bauernschaft, Widersprüche innerhalb der Intelligenz, Widersprüche zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, Widersprüche zwischen Arbeitern und Bauern einerseits und der Intelligenz anderseits, Widersprüche zwischen der Arbeiterklasse und anderen Werktätigen einerseits und der nationalen Bourgeoisie anderseits, Widersprüche innerhalb der <436> nationalen Bourgeoisie usw. Unsere Volksregierung ist eine Regierung, die wirklich die Interessen des Volkes vertritt und dem Volke dient, doch bestehen auch gewisse Widersprüche zwischen der Regierung und den Volksmassen. Zu diesen Widersprüchen gehören Widersprüche zwischen den Interessen des Staates und der Kollektive einerseits und denen der Einzelpersonen anderseits, Widersprüche zwischen Demokratie und Zentralismus, zwischen Führenden und Geführten sowie Widersprüche zwischen gewissen Funktionären des Staates mit bürokratischem Arbeitsstil und den Massen. All das sind auch Widersprüche im Volk. Allgemein gesagt, sind die Widersprüche im Volk Widersprüche auf dem Boden der grundlegenden Einheit der Interessen des Volkes.

In unserem Land gehört der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie zu den Widersprüchen im Volk. Der Klassenkampf zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie gehört im allgemeinen zum Klassenkampf innerhalb des Volkes, da der Charakter der nationalen Bourgeoisie in unserem Land zwiespältig ist. In der Periode der bürgerlich-demokratischen Revolution war die nationale Bourgeoisie einerseits revolutionär und anderseits zu Kompromissen geneigt. In der Periode der sozialistischen Revolution beutet sie einerseits die Arbeiterklasse des Profits wegen aus, aber gleichzeitig unterstützt sie die Verfassung und ist bereit, die sozialistische Umgestaltung zu akzeptieren. Die nationale Bourgeoisie unterscheidet sich von den Imperialisten, der Grundherrenklasse und der bürokratischen Bourgeoisie. Der Widerspruch zwischen der nationalen Bourgeoisie und der Arbeiterklasse, ein Widerspruch zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, ist an und für sich antagonistisch. Aber unter den konkreten Bedingungen unseres Landes kann dieser antagonistische Klassenwiderspruch, wenn er richtig behandelt wird, in einen nichtantagonistischen umgewandelt und auf friedlichem Wege gelöst werden. Wenn wir ihn jedoch nicht richtig behandeln und uns gegenüber der nationalen Bourgeoisie nicht der Politik des Zusammenschlusses, der Kritik und der Erziehung bedienen oder wenn die nationale Bourgeoisie diese Politik nicht akzeptiert, kann sich der Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie in einen Widerspruch zwischen uns und dem Feind verwandeln.

Da die Widersprüche zwischen uns und dem Feind sowie die Widersprüche im Volk ihrem Wesen nach verschieden sind, müssen sie auch mit verschiedenen Methoden gelöst werden. Kurz gesagt, bei ersteren kommt es darauf an, einen klaren Trennungsstrich zwischen <437> uns und dem Feind zu ziehen, während es bei letzteren darum geht, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Gewiß, auch die Frage der Beziehungen zwischen uns und dem Feind ist eine Frage der Unterscheidung zwischen richtig und falsch. Zum Beispiel ist die Frage, wer recht hat, wir oder die in- und ausländischen Reaktionäre, das heißt die Imperialisten, die Feudalherren und die bürokratischen Kapitalisten, schließlich auch eine Frage der Unterscheidung zwischen richtig und falsch, aber sie unterscheidet sich ihrem Wesen nach von der Frage, was innerhalb des Volkes richtig oder falsch ist.

Unser Staat ist ein Staat der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht. Welche Funktionen übt diese Diktatur aus? Ihre erste Funktion besteht darin, die reaktionären Klassen, die Reaktionäre und jene Ausbeuter im Lande, die sich der sozialistischen Revolution widersetzen, und diejenigen, die den Aufbau des Sozialismus sabotieren, niederzuhalten, also die Widersprüche zwischen uns und dem Feind innerhalb des Landes zu lösen. Beispielsweise gewisse Konterrevolutionäre festzunehmen und abzuurteilen, den Grundherren und den Angehörigen der bürokratischen Bourgeoisie für eine bestimmte Zeit das Wahlrecht und die Redefreiheit zu entziehen — das alles fällt in den Rahmen der Diktatur. Um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Interessen der breiten Volksmassen zu schützen, muß sich die Diktatur auch gegen Diebe, Gauner, Mörder, Brandstifter, Rowdybanden und andere üble Elemente richten, die die öffentliche Ordnung ernsthaft stören. Die zweite Funktion der Diktatur besteht darin, den Staat vor einer Wühltätigkeit und einer eventuellen Aggression der äußeren Feinde zu schützen. Entsteht eine derartige Lage, ist es Aufgabe der Diktatur, nach außen die Widersprüche zwischen uns und dem Feind zu lösen. Ziel dieser Diktatur ist es, unser ganzes Volk bei seiner friedlichen Arbeit zu schützen, damit es unser Land zu einem sozialistischen Land mit moderner Industrie, moderner Landwirtschaft, moderner Wissenschaft und Kultur aufbauen kann. Wer übt die Diktatur aus? Natürlich die Arbeiterklasse und das von ihr geführte Volk. Das System der Diktatur gilt nicht innerhalb des Volkes. Das Volk kann nicht eine Diktatur über sich selbst ausüben; ebensowenig kann ein Teil des Volkes einen anderen unterdrücken. Rechtsbrecher aus dem Volk müssen entsprechend dem Gesetz Zwangsmaßnahmen unterworfen werden; aber das ist etwas grundsätzlich anderes als die Diktatur zur Unterdrückung der Feinde des Volkes. Innerhalb des Volkes herrscht der demo-<438> kratische Zentralismus. Unsere Verfassung legt fest, daß die Bürger der Volksrepublik China Rede- und Pressefreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, die Freiheit, Straßenumzüge und Protestdemonstrationen durchzuführen, Glaubensfreiheit und andere Freiheiten genießen. Unsere Verfassung sieht ferner vor, daß die Staatsorgane den demokratischen Zentralismus verwirklichen und sich auf die Volksmassen stützen müssen, daß ihre Mitarbeiter dem Volk dienen müssen. Unsere sozialistische Demokratie ist die umfassendste Demokratie, wie es sie in keinem bürgerlichen Staat geben kann. Unsere Diktatur ist die demokratische Diktatur des Volkes, die von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht. Das heißt also, daß innerhalb des Volkes die Demokratie verwirklicht ist, während die Arbeiterklasse, vereint mit dem ganzen, Bürgerrechte genießenden Volk, vor allem mit den Bauern, die Diktatur ausübt über die reaktionären Klassen, Reaktionäre und die Elemente, die sich der sozialistischen Umgestaltung und dem Aufbau des Sozialismus widersetzen. In politischer Hinsicht bedeutet der Genuß der Bürgerrechte den Genuß des Rechtes auf Freiheit und Demokratie.

Aber diese Freiheit ist Freiheit mit Führung, und diese Demokratie ist zentral angeleitete Demokratie, nicht Anarchie. Anarchie entspricht nicht den Interessen und Wünschen des Volkes.

Nach den Ungarn-Ereignissen(1) waren manche Leute in unserem Land froh. Sie hofften, daß sich in China Ähnliches abspielen werde und daß Tausende und aber Tausende von Menschen gegen die Volksregierung auf die Straße gehen würden. Ihre Hoffnungen liefen den Interessen der Volksmassen zuwider, und sie konnten keine Unterstützung bei den Volksmassen finden. Ein Teil der Massen in Ungarn, getäuscht durch einheimische und ausländische konterrevolutionäre Kräfte, machte den Fehler, Gewalt gegen die Volksregierung anzuwenden, mit dem Ergebnis, daß sowohl der Staat als auch das Volk dafür leiden mußten. Der Schaden, der der Wirtschaft des Landes in den wenigen Wochen des Aufruhrs zugefügt wurde, wird erst nach langer Zeit behoben sein. Es gab in unserem Lande auch einige Leute, die zur Ungarn-Frage eine schwankende Haltung einnahmen, weil sie die konkrete Lage in der Welt nicht verstanden. Sie waren der Meinung, daß es in unserer Demokratie des Volkes zuwenig Freiheit gäbe, nicht so viel wie in der westlichen parlamentarischen Demokratie. Sie forderten ein Zweiparteiensystem nach westlichem Vorbild, bei dem die eine Partei an der Macht ist und die andere in Opposition steht. Aber dieses sogenannte Zweiparteiensystem ist <439> nichts anderes als ein Mittel zur Aufrechterhaltung der Diktatur der Bourgeoisie; unter keinen Umständen kann es den Werktätigen das Recht auf Freiheit sichern. Tatsächlich gibt es in der Welt nur konkrete Freiheit und konkrete Demokratie, abstrakte Freiheit und abstrakte Demokratie gibt es nicht. Wenn es in einer Gesellschaft des Klassenkampfes die Freiheit der Ausbeuterklassen gibt, die Werktätigen auszubeuten, so haben die Werktätigen keine Freiheit, sich der Ausbeutung zu entziehen. Wenn es Demokratie für die Bourgeoisie gibt, gibt es keine Demokratie für das Proletariat und die anderen Werktätigen. Einige kapitalistische Länder dulden das legale Bestehen kommunistischer Parteien, aber nur insoweit, als die Grundinteressen der Bourgeoisie nicht gefährdet sind; wird diese Grenze überschritten, dann wird es nicht mehr geduldet. Wer abstrakte Freiheit, abstrakte Demokratie fordert, sieht in der Demokratie den Zweck und nicht das Mittel. Manchmal scheint die Demokratie Zweck zu sein, tatsächlich aber ist sie nur ein Mittel. Der Marxismus lehrt uns, daß die Demokratie zum Überbau, zur Kategorie der Politik gehört. Das heißt, die Demokratie dient letzten Endes der ökonomischen Basis. Dasselbe gilt für die Freiheit. Demokratie und Freiheit sind relativ, nicht absolut, sie entstehen und entwickeln sich im Lauf der Geschichte. Innerhalb des Volkes sind Demokratie und Zentralismus, Freiheit und Disziplin aufeinander bezogen. Es sind dies jeweils zwei widersprüchliche Seiten eines einheitlichen Ganzen; sie widersprechen einander, bilden aber auch eine Einheit, und wir sollen nicht einseitig das eine hervorheben und das andere negieren. Innerhalb des Volkes kann man ohne Freiheit ebensowenig auskommen wie ohne Disziplin, ohne Demokratie ebensowenig wie ohne Zentralismus. Eine derartige Einheit von Demokratie und Zentralismus, von Freiheit und Disziplin ist unser demokratischer Zentralismus. Unter diesem System erfreut sich das Volk weitgehender Demokratie und Freiheit, zugleich aber muß es sich auch in den Grenzen der sozialistischen Disziplin halten. Die breiten Volksmassen verstehen diese Wahrheit.

Wir sind für Freiheit mit Führung und zentral angeleitete Demokratie, doch das bedeutet keinesfalls, daß innerhalb des Volkes bestehende ideologische Probleme und Fragen, die die Unterscheidung zwischen richtig und falsch betreffen, durch Zwangsmethoden gelöst werden können. Versuche, ideologische Probleme oder Fragen von richtig oder falsch mit administrativen Methoden oder Zwangsmaßnahmen zu lösen, sind nicht nur wirkungslos, sondern sogar schädlich. Wir können die Religion nicht durch administrative Weisungen <440> abschaffen, noch können wir die Menschen zwingen, nicht gläubig zu sein. Wir können die Menschen nicht zwingen, den Idealismus aufzugeben, ebensowenig wie wir sie zwingen können, dem Marxismus zu vertrauen. Probleme ideologischen Charakters oder Streitfragen, die im Volke entstehen, können nur mit der Methode der Demokratie, mit der Methode der Diskussion, Kritik, Überzeugung und Erziehung, nicht aber durch Zwangs- und Unterdrückungsmaßnahmen gelöst werden. Um erfolgreich produzieren, studieren und in geordneten Verhältnissen leben zu können, fordert das Volk von seiner Regierung, von den Leitern der Produktion und der Kultur- und Bildungsinstitutionen, daß sie geeignete administrative Anordnungen obligatorischen Charakters erlassen. Ohne derartige administrative Anordnungen ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung unmöglich, was für den gesunden Menschenverstand begreiflich ist. Diese administrativen Anordnungen und die Überzeugungs- und Erziehungsmethode, die bei der Lösung der Widersprüche im Volke angewandt wird, sind zwei einander unterstützende und ergänzende Seiten. Administrative Weisungen, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erlassen werden, müssen von Überzeugungs- und Erziehungsarbeit begleitet sein; denn in vielen Fällen kommt man mit administrativen Anordnungen allein nicht weiter.

Im Jahre 1942 brachten wir diese demokratische Methode der Lösung von Widersprüchen im Volke durch die Formel "Einheit — Kritik — Einheit“ konkret zum Ausdruck. Etwas ausführlicher ausgedrückt, bedeutet das: von dem Wunsch nach Einheit ausgehen, durch Kritik oder Kampf die Widersprüche lösen und damit eine neue Einheit auf neuer Grundlage erreichen. Unsere Erfahrung zeigt, daß das eine richtige Methode zur Lösung der Widersprüche im Volke ist. 1942 wandten wir diese Methode an, um Widersprüche innerhalb der Kommunistischen Partei zu lösen, nämlich Widersprüche zwischen den Dogmatikern und dem Gros der Parteimitglieder, Widersprüche zwischen dogmatischem und marxistischem Denken. Die "linken“ Dogmatiker hatten in der Vergangenheit im innerparteilichen Kampf die Methode "erbitterten Kampfes und schonungsloser Schläge“ angewandt. Diese Methode war falsch. Bei der Kritik am "linken“ Dogmatismus wandten wir anstelle dieser alten eine neue Methode an: von dem Wunsch nach Einheit ausgehen, durch Kritik oder Kampf klar zwischen richtig und falsch unterscheiden und damit auf neuer Grundlage eine neue Einheit erreichen. Das war die Methode, die <441> während der Bewegung zur Ausrichtung der Denk- und Arbeitsweise von 1942 angewandt wurde. Einige Jahre später, im Jahre 1945, zum VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, war das Ziel der Einheit der ganzen Partei tatsächlich erreicht und dadurch der große Sieg der Volksrevolution errungen. Wenn man diese Methode anwendet, muß man vor allem von dem Wunsch nach Einheit ausgehen. Denn wenn subjektiv der Wunsch nach Einheit nicht vorhanden ist, führt der Kampf unweigerlich zur schlimmsten Desorganisation. Wäre das nicht dasselbe wie "erbitterter Kampf und schonungslose Schläge“? Was für eine Einheit der Partei gäbe es da noch? Durch diese Erfahrung kamen wir zu der Formel "Einheit — Kritik — Einheit“. Oder mit anderen Worten: "Aus früheren Fehlern lernen, um künftige zu vermeiden“ und "Die Krankheit bekämpfen, um den Patienten zu retten“. Wir wandten diese Methode auch außerhalb unserer Partei an. Innerhalb der antijapanischen Stützpunktgebiete wurde sie angewandt, um die Beziehungen zwischen Führung und Massen, zwischen Armee und Bevölkerung, zwischen Offizieren und Mannschaften, zwischen verschiedenen Einheiten der Armee und zwischen Funktionären verschiedener Bereiche zu regeln. Und dabei wurden große Erfolge errungen. Die Anwendung dieser Methode kann bis in noch frühere Zeiten unserer Parteigeschichte zurückverfolgt werden. Schon von 1927 an, als wir mit dem Aufbau unserer revolutionären Streitkräfte und Stützpunktgebiete im Süden des Landes begannen, wurde diese Methode zur Regelung der Beziehungen zwischen der Partei und den Massen, zwischen der Armee und der Bevölkerung, zwischen Offizieren und Mannschaften sowie sonstiger Beziehungen im Volk angewandt. Jedoch in der Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression stellten wir diese Methode auf eine noch bewußtere Grundlage. Nach der Befreiung des Landes wandten wir diese Methode "Einheit — Kritik — Einheit“ auch gegenüber den demokratischen Parteien und den Kreisen der Industriellen und Geschäftsleute an. Jetzt ist es unsere Aufgabe, diese Methode weiterhin innerhalb des gesamten Volkes zu verbreiten und noch besseren Gebrauch von ihr zu machen. Alle unsere Fabriken, Genossenschaften, Handelsbetriebe, Schulen, Institutionen, Massenorganisationen, kurzum, unsere gesamte 600-Millionen-Bevölkerung sollte sie zur Lösung ihrer inneren Widersprüche anwenden.

Unter gewöhnlichen Umständen sind Widersprüche im Volke nicht antagonistisch. Aber wenn man sie nicht richtig behandelt oder <442> wenn man die Wachsamkeit verliert, sorglos und nachlässig wird, kann ein Antagonismus entstehen. In einem sozialistischen Land tritt eine solche Erscheinung gewöhnlich nur örtlich begrenzt und zeitweilig auf, und zwar deshalb, weil dort das System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft worden ist und die Interessen des Volkes im Grunde einheitlich sind. Solche verhältnismäßig umfangreichen antagonistischen Aktionen, wie sie während der Ungarn-Ereignisse stattfanden, erklären sich daraus, daß dort Faktoren der einheimischen und ausländischen Konterrevolution eine Rolle spielten. Das war eine spezifische und auch zeitweilige Erscheinung. Die Reaktionäre in einem sozialistischen Land nutzen im Bunde mit den Imperialisten die Widersprüche im Volk aus, um Zwietracht zu säen, Verwirrung zu stiften und ihre tückischen Pläne zu verwirklichen. Diese Lehre aus den ungarischen Ereignissen verdient allgemeine Beachtung.

Vielen Menschen scheint es, daß der Vorschlag, demokratische Methoden zur Lösung der Widersprüche im Volk anzuwenden, ein neues Problem darstelle. In der Tat ist das nicht der Fall. Die Marxisten sind von jeher der Ansicht, daß sich die Sache des Proletariats allein auf die Volksmassen stützen kann, daß die Kommunisten demokratische Methoden der Überzeugung und Erziehung anwenden müssen, wenn sie unter den Werktätigen arbeiten; hierbei sind Kommandoallüren und Zwangsmaßnahmen unter keinen Umständen zulässig. Die Kommunistische Partei Chinas steht treu zu diesem marxistisch-leninistischen Grundsatz. Wir sind seit je dafür, daß unter der demokratischen Diktatur des Volkes zwei verschiedene Methoden — die diktatorische und die demokratische — angewandt werden sollten, um die beiden ihrem Wesen nach verschiedenen Arten von Widersprüchen — die zwischen uns und dem Feind sowie die Widersprüche im Volke — zu lösen. Diese Auffassung ist in zahlreichen früheren Dokumenten unserer Partei und in Reden vieler verantwortlicher Parteifunktionäre immer wieder erläutert worden. In meinem im Jahre 1949 verfaßten Artikel "Über die demokratische Diktatur des Volkes“ führte ich aus: "Diese beiden Seiten, die Demokratie für das Volk und die Diktatur über die Reaktionäre, bilden zusammen die demokratische Diktatur des Volkes.“ Die zur Lösung von Fragen innerhalb des Volkes "angewandten Methoden sind demokratisch, das heißt Methoden der Überzeugung, nicht aber solche des Zwangs“. Im Juni 1950 sagte ich in meiner Ansprache auf der 2. Tagung des I. Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz ebenfalls:

<443>
"Die demokratische Diktatur des Volkes verfügt über zwei Methoden. Den Feinden gegenüber bedient sie sich der Methode der Diktatur, das heißt, solange dies notwendig ist, gestattet sie ihnen nicht, sich politisch zu betätigen, zwingt sie, die Gesetze der Volksregierung zu befolgen und körperliche Arbeit zu leisten, und erzieht sie durch diese Arbeit zu neuen Menschen um. Den Volksmassen gegenüber wendet sie im Gegensatz dazu nicht die Methode des Zwangs an, sondern die der Demokratie, das heißt, sie muß sie sich politisch betätigen lassen, zwingt sie nicht, dieses oder jenes zu tun, sondern erzieht und überzeugt sie mit demokratischen Mitteln. Diese Erziehung ist Selbsterziehung des Volkes, die grundlegende Methode dabei ist Kritik und Selbstkritik."

In der Vergangenheit haben wir wiederholt über die Anwendung demokratischer Methoden zur Lösung von Widersprüchen im Volk gesprochen und in unserer Arbeit im wesentlichen auch nach diesem Prinzip gehandelt; viele von den Funktionären und viele aus dem Volk haben diese Frage in der Praxis begriffen. Wieso haben jetzt einige Leute das Gefühl, das sei ein neues Problem? Der Grund dafür ist, daß in der Vergangenheit der Kampf zwischen uns und unseren in- und ausländischen Feinden sehr scharf war und man den Widersprüchen im Volk weniger Aufmerksamkeit widmete als heute.

Viele können zwischen diesen beiden im Wesen verschiedenen Arten von Widersprüchen, denen zwischen uns und dem Feind und denen innerhalb des Volkes, nicht klar unterscheiden und bringen sie sehr leicht durcheinander. Zugegeben, es ist manchmal schwer, sie auseinanderzuhalten. Es kam früher in unserer Arbeit vor, daß wir sie verwechselten. Bei der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre wurden manchmal gute Leute fälschlich für üble gehalten. Solche Fälle gab es früher, und es gibt sie auch heute noch. Unsere Fehler nehmen nicht überhand, weil wir in unserer Politik festgelegt haben, daß eine scharfe Trennungslinie zwischen unseren Feinden und uns gezogen und entdeckte Fehler korrigiert werden müssen.

Die marxistische Philosophie vertritt die Meinung, daß das Gesetz von der Einheit der Gegensätze das grundlegende Gesetz des Universums ist. Dieses Gesetz besteht überall, in der Natur, in der menschlichen Gesellschaft und im Denken des Menschen. Zwischen den einander widersprechenden Gegensätzen gibt es sowohl Einheit als auch Kampf, und das bewirkt die Bewegung und Veränderung der Dinge. Widersprüche gibt es überall, jedoch entsprechend den verschiedenen <444> Eigenschaften der Dinge ist auch der Charakter der Widersprüche verschieden. Für jedes konkrete Ding ist die Einheit der Gegensätze bedingt, zeitweilig, vorübergehend und daher relativ, während der Kampf zwischen den Gegensätzen absolut ist. Lenin hat dieses Gesetz sehr deutlich erklärt. In unserem Lande verstehen immer mehr Menschen dieses Gesetz. Für viele jedoch ist die Anerkennung dieses Gesetzes etwas ganz anderes als seine Anwendung bei der Betrachtung und Behandlung von Problemen. Viele wagen nicht, offen zuzugeben, daß bei uns Widersprüche im Volke noch weiterbestehen, wo doch gerade sie die Entwicklung unserer Gesellschaft vorantreiben. Viele Menschen geben nicht zu, daß es in der sozialistischen Gesellschaft noch Widerspräche gibt, was dazu führt, daß sie angesichts der Widersprüche in der Gesellschaft ängstlich und passiv werden; sie verstehen nicht, daß die Einheit und Geschlossenheit innerhalb der sozialistischen Gesellschaft gerade im Prozeß der ständigen richtigen Behandlung und Lösung von Widersprüchen von Tag zu Tag fester wird. Darum müssen wir dies unserem Volk, in erster Linie unseren Kadern, erklären, um ihnen zu helfen, die Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft zu erkennen und zu verstehen, die richtigen Methoden zur Behandlung solcher Widersprüche anzuwenden.

Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft unterscheiden sich grundlegend von Widersprüchen in den alten Gesellschaften, beispielsweise der kapitalistischen. Die Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft finden ihren Ausdruck in heftigen Antagonismen und Konflikten, in scharfem Klassenkampf; sie können nicht vom kapitalistischen System selbst, sondern nur durch die sozialistische Revolution gelöst werden. Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft dagegen sind anders, sie sind nichtantagonistisch und können fortlaufend durch das sozialistische System selbst gelöst werden.

Die grundlegenden Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft sind noch immer die zwischen den Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften sowie zwischen Überbau und ökonomischer Basis. Diese Widersprüche sind jedoch ihrem Charakter und ihren Erscheinungsformen nach grundlegend verschieden von den Widersprüchen zwischen den Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften sowie zwischen Überbau und ökonomischer Basis in der alten Gesellschaft. Das gegenwärtige Gesellschaftssystem unseres Landes ist dem der alten Zeiten weit überlegen. Andernfalls wäre das alte System nicht gestürzt und hätte das neue System nicht errichtet werden können. Wenn wir sagen, daß die sozialistischen Produktionsver- <445> hältnisse besser als die Produktionsverhältnisse der alten Epoche der Entwicklung der Produktivkräfte entsprechen, meinen wir, daß sie den Produktivkräften die Möglichkeit bieten, sich in einem Tempo zu entwickeln, das in der alten Gesellschaft unerreichbar war, daß die Produktion sich dadurch ständig erweitert und daher die ständig wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung nach und nach befriedigt werden können. Im alten China, das sich unter der Herrschaft des Imperialismus, des Feudalismus und des bürokratischen Kapitalismus befand, entwickelten sich die Produktivkräfte immer sehr langsam. Im Laufe von mehr als 50 Jahren vor der Befreiung produzierte China nur einige Zehntausende Tonnen Stahl im Jahr, die Produktion der Nordostprovinzen nicht eingerechnet Diese Provinzen mit einbezogen, betrug die höchste jährliche Stahlproduktion unseres Landes auch nur etwas über 900 000 Tonnen. Im Jahre 1949 betrug die Stahlproduktion des Landes nur etwas über 100 000 Tonnen. Doch nur sieben Jahre nach der Befreiung des Landes erzeugen wir bereits weit mehr als vier Millionen Tonnen Stahl im Jahr. Im alten China gab es kaum eine Maschinenbauindustrie und schon gar keinen Kraftfahrzeug- und Flugzeugbau; jetzt haben wir alle drei. Welchen Weg soll nun China gehen, nachdem das Volk die Herrschaft des Imperialismus, Feudalismus und bürokratischen Kapitalismus gestürzt hat? Zum Kapitalismus oder zum Sozialismus? Viele waren sich über diese Frage nicht im klaren. Die Tatsachen haben die Antwort auf diese Frage bereits gegeben: Nur der Sozialismus kann China retten. Die sozialistische Ordnung hat die ungestüme Entwicklung der Produktivkräfte in China gefördert, das haben sogar unsere Feinde im Ausland anerkennen müssen.

Aber unsere sozialistische Ordnung ist eben erst errichtet worden. Sie ist noch nicht voll aufgebaut und auch noch nicht ganz gefestigt. In den gemischt staatlich-privaten Industrie- und Handelsbetrieben erhalten die Kapitalisten noch eine feste Verzinsung(2) ihres Kapitals, das heißt, es gibt noch Ausbeutung. Was das Eigentum betrifft, so sind diese Betriebe ihrem Charakter nach noch nicht voll sozialistisch. Unsere Produktionsgenossenschaften in Landwirtschaft und Handwerk sind zum Teil immer noch halbsozialistisch, und auch in den vollsozialistischen Genossenschaften sind noch gewisse Einzelprobleme des Eigentums zu regeln. Innerhalb und zwischen allen Zweigen der Wirtschaft werden allmählich weiterhin Beziehungen zwischen Produktion und Austausch den sozialistischen Prinzipien gemäß hergestellt und nach und nach relativ geeignete Formen gefunden. In der volkseigenen <446> und der kollektiven Wirtschaft und in den Beziehungen zwischen diesen beiden sozialistischen Wirtschaftssektoren stellt das Verhältnis zwischen Akkumulation und Konsumtion ein kompliziertes Problem dar, das schwerlich auf einen Schlag völlig rationell zu lösen ist. Kurz, sozialistische Produktionsverhältnisse sind bereits geschaffen, und sie entsprechen der Entwicklung der Produktivkräfte; aber sie sind noch bei weitem nicht vollkommen, und die Unvollkommenheit steht im Widerspruch zur Entwicklung der Produktivkräfte. Auf diese Weise bestellt sowohl Übereinstimmung wie Widerspruch zwischen den Produktionsverhältnissen und der Entwicklung der Produktivkräfte; darüber hinaus besteht auch sowohl Übereinstimmung wie Widerspruch zwischen dem Überbau und der ökonomischen Basis. Der Überbau — die Staatsordnung und die Gesetze der demokratischen Diktatur des Volkes sowie die vom Marxismus-Leninismus bestimmte sozialistische Ideologie — spielt eine aktive, treibende Rolle bei der Erringung des Sieges der sozialistischen Umgestaltung und der Schaffung einer sozialistischen Organisation der Arbeit; er stimmt mit der sozialistischen ökonomischen Basis, das heißt mit den sozialistischen Produktionsverhältnissen, überein. Aber das Vorhandensein bürgerlicher Ideologie, eines gewissen bürokratischen Arbeitsstils in unseren staatlichen Organen und von Unzulänglichkeiten in gewissen Kettengliedern unserer staatlichen Einrichtungen steht im Widerspruch zur sozialistischen ökonomischen Basis. Wir müssen auch künftighin solche Widersprüche gemäß den konkreten Gegebenheiten fortgesetzt lösen. Gewiß werden sich, wenn diese Widersprüche gelöst sind, neue Probleme ergeben. Die neuen Widersprüche fordern ebenfalls eine Lösung. Zum Beispiel ist es notwendig, häufig durch staatliche Pläne den objektiv lange fortbestehenden Widerspruch zwischen der Produktion und dem Bedarf der Gesellschaft zu regulieren. Jedes Jahr stellt unser Land einen Wirtschaftsplan auf und legt richtige Proportionen zwischen Akkumulation und Konsumtion fest, um ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Bedarf zu erzielen. Mit Gleichgewicht meinen wir eine zeitweilige und relative Einheit der Gegensätze. Am Ende eines Jahres ist ein solches Gleichgewicht als Ganzes durch den Kampf der Gegensätze gestört, die Einheit hat eine Wandlung durchgemacht, das Gleichgewicht ist zu Ungleichgewicht geworden, und die Einheit zu Nicht-Einheit; für das nächste Jahr müssen ein neues Gleichgewicht und eine neue Einheit angestrebt werden. Darin zeigt sich die Überlegenheit unserer Planwirtschaft. Tatsächlich wird beides jeden Monat und jedes Quartal teilweise <447> gestört, und das macht jeweils einen partiellen Ausgleich erforderlich. Zuweilen ergeben sich Widersprüche, wird das Gleichgewicht gestört, weil die subjektiven Anordnungen nicht der objektiven Realität entsprechen. Dann hat man Fehler gemacht. Widersprüche entstehen ununterbrochen und werden ununterbrochen gelöst, das eben ist das dialektische Gesetz der Entwicklung der Dinge.

Heute ist die Lage so: Die für die Periode der Revolution charakteristischen umfassenden und stürmischen Klassenkämpfe der Massen sind im wesentlichen abgeschlossen, doch der Klassenkampf ist keineswegs schon ganz beendet; die breiten Massen begrüßen einerseits das neue System, sind aber anderseits noch nicht ganz an dieses gewöhnt. Die Staatsfunktionäre sind noch nicht reich genug an Erfahrungen und sollen weiterhin Fragen der konkreten Politik studieren und untersuchen. Das heißt, daß unser sozialistisches System einen Prozeß des weiteren Aufbaus und der weiteren Festigung braucht, daß die Volksmassen einen Prozeß der Gewöhnung an dieses neue System und die Staatsfunktionäre einen Prozeß des Lernens und des Sammelns von Erfahrungen brauchen. Zu dieser Zeit ist es sehr notwendig, daß das Problem aufgeworfen wird, eine Linie zwischen den beiden Arten von Widersprüchen — den Widersprüchen zwischen uns und dem Feind sowie den Widersprüchen im Volke — zu ziehen und die Widersprüche im Volke richtig zu behandeln, um die Bevölkerung aller Nationalitäten unseres ganzen Landes zu einer neuen Schlacht zusammenzuschließen, zum Kampf gegen die Natur, für die Entwicklung unserer Wirtschaft und Kultur, damit unser ganzes Volk die gegenwärtige Übergangsperiode relativ reibungslos durchläuft, damit unsere neue Ordnung gefestigt und unser neuer Staat aufgebaut wird.

II. DIE HINAUSSÄUBERUNG DER KONTERREVOLUTIONÄRE

Die Frage der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre ist eine Frage des Kampfes im Rahmen der Widersprüche zwischen uns und dem Feind. Im Volk gibt es Menschen, die in dieser Frage etwas andere Ansichten vertreten. Zwei Kategorien von Menschen haben andere Meinungen als wir. Die einen vertreten eine rechte Abweichung, indem sie keinen Trennungsstrich zwischen uns und dem Feind ziehen, diesen als unseresgleichen ansehen und diejenigen, die von den <448> breiten Massen als Feinde betrachtet werden, für Freunde halten. Die anderen, deren Auffassungen eine "linke“ Abweichung zeigen, dehnen den Bereich der Widersprüche zwischen uns und dem Feind aus, so daß sie gewisse Widersprüche im Volk als Widersprüche zwischen uns und dem Feind betrachten und Personen für Konterrevolutionäre halten, die es in Wirklichkeit nicht sind. Beide Ansichten sind falsch. Keine von ihnen ermöglicht es, die Frage der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre richtig zu lösen sowie unsere diesbezügliche Tätigkeit richtig einzuschätzen.

Um unsere Arbeit der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre richtig einzuschätzen, sollten wir den Einfluß der ungarischen Ereignisse auf unser Land betrachten. Diese Ereignisse ließen einen Teil unserer Intellektuellen ein bißchen aus dem Gleichgewicht geraten, haben aber keine Unruhen in unserem Lande ausgelöst. Wie ist das zu erklären? Man muß sagen: Einer der Gründe ist, daß es uns gelungen war, die Konterrevolution recht gründlich zu liquidieren.

Natürlich ist die Festigung unseres Staates nicht in erster Linie auf die Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre zurückzuführen. Sie geht in erster Linie auf die Tatsache zurück, daß wir eine kommunistische Partei und eine Befreiungsarmee haben, die in Jahrzehnten revolutionären Kampfes gestählt wurden, ein werktätiges Volk, das in gleicher Weise gestählt wurde. Unsere Partei und unsere Streitkräfte sind tief in den Massen verwurzelt, im Feuer einer langwierigen Revolution gestählt, sie besitzen starke Kampfkraft. Unsere Volksrepublik wurde nicht über Nacht geschaffen, sie entwickelte sich allmählich aus den revolutionären Stützpunktgebieten. Manche demokratische Persönlichkeiten sind ebenfalls mehr oder minder im Kampf gestählt worden und haben Leid und Not mit uns geteilt. Auch so manche Intellektuelle sind in den Kämpfen gegen Imperialismus und reaktionäre Kräfte gestählt worden. Viele von ihnen haben seit der Befreiung eine ideologische Umerziehung durchlaufen, die zum Ziel hatte, ihnen die Demarkationslinie zwischen dem Feind und uns klar erkennbar zu machen. Außerdem ist die Festigung unseres Staates auch darauf zurückzuführen, daß unsere ökonomischen Maßnahmen von Grund auf richtig sind, daß der Lebensunterhalt des Volkes gesichert ist und sich ständig verbessert, daß unsere Politik gegenüber der nationalen Bourgeoisie und anderen Klassen ebenfalls richtig ist usw. Trotzdem ist unser Erfolg bei der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre zweifellos einer der wichtigsten Gründe für die Festigung unseres Staates. Aus all diesen Gründen sind unsere Studenten, <449> obwohl immer noch viele von ihnen nicht aus Familien der Werktätigen stammen, mit wenigen Ausnahmen patriotisch gesinnt, unterstützen den Sozialismus, und während der ungarischen Ereignisse ist es unter ihnen nicht zu Unruhen gekommen. Das gleiche trifft auf die nationale Bourgeoisie zu, ganz zu schweigen von den Hauptmassen — den Arbeitern und Bauern.

Nach der Befreiung machten wir eine Anzahl von Konterrevolutionären unschädlich. Einige Konterrevolutionäre, die schwere Verbrechen begangen hatten, wurden zum Tode verurteilt. Das war unbedingt notwendig, es war die Forderung der breiten Massen und geschah, um die Massen von der langjährigen Unterdrückung durch Konterrevolutionäre und allerlei örtliche Tyrannen zu befreien, das heißt, um die Produktivkräfte freizusetzen. Hätten wir es nicht getan, dann hätten die Volksmassen nicht ihr Haupt erheben können. Seit 1956 hat sich die Lage von Grund auf verändert. Nimmt man das Land als Ganzes, so sind die Hauptkräfte der Konterrevolution bereits liquidiert. Unsere grundlegende Aufgabe ist bereits von der Freisetzung der Produktivkräfte zum Schutz und zur Entwicklung der Produktivkräfte im Rahmen der neuen Produktionsverhältnisse übergegangen. So manche verstehen nicht, daß unsere gegenwärtige Politik der gegenwärtigen Lage entspricht und daß unsere frühere Politik der früheren Lage angepaßt war. Sie möchten die gegenwärtige Politik benutzen, um früher gefällte Entscheidungen umzustoßen, und sie versuchen, die großen Erfolge, die in der Vergangenheit bei der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre erzielt worden sind, zu bestreiten. Das ist grundfalsch, und die Volksmassen werden es nicht dulden.

Das hauptsächliche Ergebnis unserer Tätigkeit bei der Liquidierung der Konterrevolution sind unsere Erfolge, aber es gab auch Fehler. Es gab sowohl Überspitzungen als auch Fälle, da Konterrevolutionäre durchschlüpften. Unser Kurs lautet: "Wo Konterrevolution ist, muß sie liquidiert werden; wo Fehler gemacht wurden, müssen sie korrigiert werden.“ Unsere Linie bei dieser Arbeit ist eine Linie der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre durch die Massen. Wenn man die Massenlinie verfolgt, können natürlich auch Fehler in der Arbeit vorkommen, aber sie werden weniger sein und leichter zu berichtigen sein. Die Massen sammeln Erfahrungen im Kampf. Wenn sie richtig handeln, gewinnen sie positive Erfahrungen; wenn sie Fehler begehen, dann gewinnen sie auch Erfahrungen aus den begangenen Fehlern.

<450>
Hinsichtlich der bereits aufgedeckten Fehler bei der Arbeit der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre haben wir Maßnahmen zur Berichtigung getroffen oder treffen sie gerade. Die noch nicht aufgedeckten Fehler werden berichtigt werden, sobald sie festgestellt sind. Beschlüsse über Rehabilitierungen müssen im gleichen Kreis bekanntgegeben werden wie die ursprünglichen falschen Entscheidungen. Ich schlage vor, daß in diesem oder im nächsten Jahr eine umfassende Überprüfung der Arbeit zur Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre vorgenommen wird, um die Erfahrungen zusammenzufassen, die Gerechtigkeit zu fördern und ungesunde Tendenzen zu bekämpfen.(3) Zentral sollten der Ständige Ausschuß des Nationalen Volkskongresses und der Ständige Ausschuß des Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz mit dieser Aufgabe betraut sein — auf örtlicher Ebene die Volksräte und die Komitees der Politischen Konsultativkonferenz der Provinzen und Städte. Während der Überprüfung müssen wir der breiten Masse der Funktionäre und Aktivisten, die sich an dieser Arbeit beteiligten, helfen und dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen. Es wäre falsch, ihren Enthusiasmus zu dämpfen. Aber wenn Fehler aufgedeckt werden, sind sie unbedingt zu berichtigen. Das muß die Haltung aller Organe der öffentlichen Sicherheit, der Staatsanwälte, der Justizorgane, Gefängnisse und der Stellen sein, die für die Umerziehung durch körperliche Arbeit zuständig sind. Wir hoffen, daß Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses und des Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz sowie Abgeordnete des Volkes an dieser Überprüfung mitwirken werden, soweit sie dazu die Möglichkeit besitzen. Das wird für die Vervollkommnung unserer Rechtsordnung sowie für die richtige Behandlung der Konterrevolutionäre und anderer verbrecherischer Elemente von Nutzen sein.

Die gegenwärtige Lage in bezug auf die Konterrevolutionäre kann mit folgenden Worten umrissen werden: Es gibt noch Konterrevolutionäre, aber nicht mehr viele. In erster Linie, es gibt noch Konterrevolutionäre. Manche Menschen sagen, es gebe keine mehr, alles sei friedlich, wir könnten unser Bett machen und uns ruhig schlafen legen. Das entspricht nicht der Wirklichkeit. Tatsache ist, daß es noch Konterrevolutionäre gibt (natürlich nicht überall und nicht in jeder Einheit) und daß wir sie weiter bekämpfen müssen. Man muß begreifen, daß die verborgenen, noch nicht gefaßten Konterrevolutionäre ihre Pläne nicht aufgeben, sondern mit Sicherheit jede Chance wahrnehmen werden, um Unruhe zu stiften. Die USA-Imperialisten und <451> die Tschiangkaischek-Clique entsenden ständig Geheimagenten zu uns, um Wühlarbeit zu betreiben, Selbst wenn alle vorhandenen Konterrevolutionäre hinausgesäubert sind, können neue auftauchen. Wenn wir in unserer Wachsamkeit nachlassen, werden wir die Dummen sein und schwer dafür büßen müssen. Überall, wo Konterrevolutionäre ihr schmutziges Werk verrichten, müssen sie entschlossen eliminiert werden. Nimmt man aber das Land als Ganzes, so gibt es gewiß nicht mehr viele Konterrevolutionäre, und es wäre falsch zu sagen, daß es jetzt im ganzen Land immer noch viele Konterrevolutionäre gibt. Wenn man eine solche Einschätzung akzeptierte, würde das ebenfalls Verwirrung stiften.

III. DIE FRAGE DES GENOSSENSCHAFTLICHEN ZUSAMMENSCHLUSSES
IN DER LANDWIRTSCHAFT

Wir haben eine Landbevölkerung von über 500 Millionen Menschen, und die Lage unserer Bauern ist daher von sehr großer Bedeutung für die Entwicklung der Wirtschaft unseres Landes und die Festigung unserer Staatsmacht. Meiner Ansicht nach ist die Lage im wesentlichen gut. Mit der Vollendung des genossenschaftlichen Zusammenschlusses wurde in unserem Land der große Widerspruch zwischen der sozialistischen Industrialisierung und der individuellen Bauernwirtschaft gelöst. Die rasche Vollendung des genossenschaftlichen Zusammenschlusses löst bei manchen Leuten die Befürchtung aus, daß dabei etwas schiefgehen könnte. Es gibt zwar einige Mängel, sie sind jedoch glücklicherweise nicht sehr groß, und im wesentlichen ist die Lage gesund. Die Bauern arbeiten mit großem Elan, und obwohl die Schäden durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme im vergangenen Jahr größer als in den vorhergehenden Jahren waren, ist die Erzeugung von Getreide im ganzen Lande weiter gestiegen. Jetzt gibt es manche, die behaupten, daß der genossenschaftliche Zusammenschluß nichts tauge und daß er nicht überlegen sei, und damit einen kleinen Taifun aufgewirbelt haben. Ist der genossenschaftliche Zusammenschluß überlegen oder nicht? Unter den auf der heutigen Tagung verteilten Dokumenten befindet sich eines über die Wang-Guo-fan-Genossenschaft(4) im Kreis Dsunhua, Provinz Hopeh; ich empfehle allen Anwesenden, es zu lesen. Diese Genossenschaft liegt in einer bergigen Gegend, die von alters her arm war und von jährlicher Ge-<452> treideunterstützung der Volksregierung abhing. Als dort erstmalig im Jahre 1953 eine Genossenschaft gegründet wurde, nannte man sie die "Genossenschaft der Habenichtse“. Vier Jahre wurde hart gekämpft, die Lage der Genossenschaft wurde von Jahr zu Jahr besser, und jetzt haben die meisten ihrer Mitglieder Getreideüberschüsse. Was diese Genossenschaft schaffen konnte, müßte unter normalen Bedingungen auch anderen Genossenschaften gelingen, selbst wenn es etwas länger dauern sollte. Das zeigt, daß das Gerede, der genossenschaftliche Zusammenschluß sei nichts Rechtes, jeglicher Grundlage entbehrt.

Daraus geht ferner hervor, daß der Aufbau der Produktionsgenossenschaften einen schweren Kampf erfordert. Alles, was neu ins Leben tritt, wächst unter Schwierigkeiten heran, hat einen Weg voller Windungen und Wendungen zurückzulegen. Es wäre eine reine Illusion zu glauben, daß die Sache des Sozialismus ohne Schwierigkeiten und Zickzackwege, ohne gewaltige Anstrengungen vorankäme, daß man immer günstigen Wind und leicht Erfolge haben würde.

Wer unterstützt nun aktiv die Genossenschaften? Es ist die überwiegende Mehrheit der armen Bauern und der unteren Mittelbauern, die zusammen über 70 Prozent der Landbevölkerung ausmachen. Der größte Teil der übrigen Bauern setzt ebenfalls Hoffnungen auf die Genossenschaften. Nur eine verschwindend kleine Minderheit ist wirklich unzufrieden. Viele haben diese Lage nicht analysiert, die Erfolge und Mängel der Genossenschaften und die Ursachen der Mängel nicht allseitig untersucht, einen Teil oder eine Seite für das Ganze gehalten, und so ist unter einigen Leuten ein kleiner Taifun — die Genossenschaften seien angeblich nicht überlegen — aufgewirbelt worden.

Wie lange wird es dauern, bis die Genossenschaften gefestigt sind und das Gerede, daß sie nicht überlegen seien, aufhört? Nach den Erfahrungen vieler Genossenschaften bei ihrer Entwicklung wird das wahrscheinlich fünf Jahre oder noch etwas länger dauern. Heute besteht die große Mehrheit unserer Genossenschaften nur wenig länger als ein Jahr, und es wäre unbillig zu fordern, daß sie derartig gut sein sollten. Meine Ansicht ist: Wenn die Genossenschaften, nachdem sie im ersten Planjahrfünft gegründet worden sind, im zweiten Planjahrfünft gefestigt werden, dann ist das schon sehr gut.

Die Genossenschaften machen jetzt einen Prozeß der allmählichen Festigung durch. Es bleiben dort immer noch gewisse Widersprüche zu lösen, wie beispielsweise die zwischen dem Staat und den Genossenschaften, die innerhalb der Genossenschaften und zwischen den einzelnen Genossenschaften.

<453>
Wir müssen ständig darauf achten, daß die oben erwähnten Widersprüche von der Produktion und der Verteilung her gelöst werden. In Fragen der Produktion muß sich die genossenschaftliche Wirtschaft einerseits der einheitlichen Wirtschaftsplanung des Staates unterordnen, zugleich sollte sie, ohne gegen die einheitlichen staatlichen Pläne, Richtlinien oder Gesetze und Verordnungen zu verstoßen, eine gewisse Elastizität und Selbständigkeit bewahren; anderseits sollen sich alle der Genossenschaft angehörenden Familien nach den gemeinsamen Plänen der Genossenschaft oder der Produktionsgruppe richten — mit der Einschränkung, daß sie ihre eigenen Pläne hinsichtlich der Parzellen für private Nutzung und hinsichtlich ihrer sonstigen individuellen Bewirtschaftung machen können. Hinsichtlich der Frage der Verteilung müssen wir sowohl die Interessen des Staates und des Kollektivs als auch die des einzelnen berücksichtigen. Wir müssen die Beziehungen zwischen den drei Seiten, den staatlichen Landwirtschaftssteuern, der Akkumulation der Genossenschaft und den persönlichen Einkünften der Bauern, angemessen behandeln und ständig darauf achten, daß die Widersprüche unter ihnen geregelt werden. Der Staat muß akkumulieren, die Genossenschaft muß auch akkumulieren, aber die Akkumulationen dürfen nicht übermäßig hoch sein. Wir müssen alle Möglichkeiten ausnutzen, damit die Bauern bei normaler Ernte ihre persönlichen Einkünfte aus der erhöhten Produktion Jahr für Jahr vermehren.

Viele Leute sagen, den Bauern gehe es schlecht. Ist diese Meinung richtig? Einerseits ist sie richtig, weil nämlich die Imperialisten und ihre Agenten unser Land über ein Jahrhundert lang unterdrückt und ausgebeutet haben, so daß es ein sehr armes Land geworden ist; deshalb ist der Lebensstandard nicht nur unserer Bauern, sondern auch unserer Arbeiter und Intellektuellen noch niedrig. Wir werden mehrere Jahrzehnte und intensive Anstrengungen brauchen, um den Lebensstandard unseres ganzen Volkes allmählich zu heben. In diesem Sinn ist das Wort "schlecht“ durchaus angebracht. Aber anderseits ist eine solche Meinung falsch. Sie ist falsch, wenn man behauptet, daß sich in den sieben Jahren seit der Befreiung nur das Leben der Arbeiter verbessert habe, nicht aber das der Bauern. In Wirklichkeit hat sich mit sehr wenigen Ausnahmen sowohl das Leben der Arbeiter als auch das der Bauern bereits in gewissem Maße verbessert. Nach der Befreiung haben sich die Bauern der Ausbeutung durch die Grundherren entledigt, und ihre Produktion ist Jahr um Jahr gestiegen. Nehmen wir zum Beispiel die Getreideernte! 1949 lag die Getreideerzeugung des Landes nur wenig über 210 Mrd. Djin. Bis 1956 war sie auf etwas über 360 Mrd. <454> Djin gestiegen, was einen Zuwachs um fast 150 Mrd. Djin bedeutet. Die vom Staat erhobene Landwirtschaftssteuer ist keine große Belastung und beträgt nur etwas über 30 Mrd. Djin im Jahr. Das bei den Bauern zu normalen Preisen angekaufte Getreide macht nur etwas über 50 Mrd. Djin jährlich aus. Diese beiden Posten betragen zusammen insgesamt nur etwas über 80 Mrd. Djin. Über die Hälfte dieses Getreides wird in den Dörfern und Siedlungen auf dem Lande verkauft. Offensichtlich kann man nicht sagen, daß im Leben der Bauern keine Verbesserung eingetreten sei. Wir beabsichtigen, die Gesamtmenge des als Steuer aufgebrachten und vom Staat angekauften Getreides für einige Jahre im großen und ganzen auf dem Stand von etwas über 80 Mrd. Djin zu stabilisieren. Das soll die Entwicklung der Landwirtschaft fördern und die Genossenschaften festigen, den Getreidemangel bei den wenigen Bauernfamilien, die nicht genügend Getreide haben, beheben und dazu führen, daß — bis auf einige Wirtschaften, die speziell technische Kulturen anbauen — alle Bauern einen Getreideüberschuß haben oder zumindest Selbstversorger werden, so daß es auf dem Land keine armen Bauern mehr gibt und alle Bauern den Lebensstandard von Mittelbauern erreichen oder übertreffen. Es ist unangebracht, die durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahreseinkünfte eines Bauern mit denen eines Arbeiters mechanisch zu vergleichen und zu sagen, sie seien bei dem einen niedriger und bei dem anderen höher. Die Arbeitsproduktivität der Arbeiter ist viel höher als die der Bauern, während die Lebenshaltungskosten der Bauern viel niedriger sind als die der Arbeiter in den Städten. Deshalb kann man nicht sagen, daß die Arbeiter vom Staat besonders begünstigt werden. Jedoch die Löhne einer kleinen Zahl von Arbeitern und die Gehälter einiger Mitarbeiter staatlicher Dienststellen sind etwas zu hoch. Die Bauern sind zu Recht damit unzufrieden. Deshalb ist es notwendig, je nach den konkreten Bedingungen eine angemessene Korrektur vorzunehmen.

IV. DIE FRAGE DER INDUSTRIELLEN UND KAUFLEUTE

Im Prozeß der Umgestaltung der Gesellschaftsordnung unseres Landes wurde, neben dem genossenschaftlichen Zusammenschluß in der Landwirtschaft und im Handwerk, im Jahre 1956 auch die Umwandlung der privaten Industrie- und Handelsbetriebe in gemischt <455> staatlich-private Betriebe abgeschlossen. Das Tempo und die Reibungslosigkeit dieser Umgestaltungen hingen eng damit zusammen, daß wir den Widerspruch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie als einen Widerspruch im Volke behandelten. Wurde dieser Klassenwiderspuch vollkommen gelöst? Nein, noch nicht. Es ist noch eine beträchtliche Zeit erforderlich, um ihn vollständig zu lösen. Aber heute sagen manche, die Kapitalisten seien schon so weit umerzogen, daß sie sich kaum noch von den Arbeitern unterschieden und eine weitere Umerziehung nicht nötig hätten. Es gibt sogar Leute, die sagen, daß die Kapitalisten einsichtiger seien als die Arbeiter. Noch andere fragen: Wenn schon Umerziehung, warum nicht auch für die Arbeiterklasse? Sind diese Äußerungen richtig? Natürlich nicht.

Beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft bedarf jeder einer Umerziehung: der Ausbeuter wie der Werktätige. Wer sagt denn, daß die Arbeiterklasse keiner Umerziehung bedarf? Natürlich ist die Umerziehung der Ausbeuter dem Wesen nach etwas ganz anderes als die der Werktätigen; diese beiden Arten der Umerziehung dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Im Verlauf des Klassenkampfes und des Kampfes gegen die Natur verändert die Arbeiterklasse die gesamte Gesellschaft und erzieht gleichzeitig auch sich selbst um. Die Arbeiterklasse muß im Arbeitsprozeß ständig lernen, muß ihre Mängel allmählich überwinden und darf niemals stehenbleiben. Um von uns, den Anwesenden, zu sprechen: Viele von uns machen jedes Jahr einen gewissen Fortschritt, das heißt erziehen sich jedes Jahr um. Ich selbst hatte früher verschiedene unmarxistische Ansichten, erst später gelangte ich zum Marxismus. Ich studierte den Marxismus ein wenig aus Büchern und machte so die ersten Schritte in der ideologischen Selbstumerziehung, aber in der Hauptsache ging die Umerziehung im Prozeß des Klassenkampfes über Jahre hinweg vor sich. Doch ich muß auch weiterhin studieren. Nur dann kann ich mich weiterentwickeln, andernfalls bleibe ich zurück. Sollten die Kapitalisten so gut sein, daß sie keiner Umerziehung bedürfen?

Manche behaupten, die chinesische Bourgeoisie habe heute keinen zwiespältigen Charakter mehr, sondern nur einen einseitigen Charakter. Ist das wirklich so? Nein. Auf der einen Seite sind bürgerliche Elemente bereits Mitarbeiter der Verwaltung in gemischt staatlich-privaten Betrieben geworden und verwandeln sich aus Ausbeutern in Werktätige, die von ihrer eigenen Arbeit leben. Auf der anderen Seite erhalten sie jetzt von den gemischt staatlich-privaten Betrieben noch feste Kapitalzinsen, das heißt, daß sie sich noch nicht von den Wurzeln <456> der Ausbeutung losgelöst haben. Zwischen ihren Ansichten, Gefühlen und Lebensgewohnheiten und denen der Arbeiterklasse besteht noch ein beträchtlicher Abstand. Wie kann man da sagen, daß sie keinen zwiespältigen Charakter mehr haben? Selbst wenn sie ihre festen Zinsen nicht mehr erhalten und nicht mehr das Etikett "Bourgeois“ tragen, werden sie dennoch längere Zeit hindurch die ideologische Umerziehung fortsetzen müssen. Wäre man der Meinung, daß die Bourgeoisie keinen zwiespältigen Charakter mehr hat, dann entfiele für die Kapitalisten die Aufgabe, zu studieren und sich umzuerziehen.

Es muß gesagt werden, daß eine solche Meinung weder den tatsächlichen Verhältnissen der Industriellen und Kaufleute noch den Wünschen der meisten von ihnen entspricht. In den vergangenen Jahren waren die meisten Industriellen und Kaufleute bereit zu lernen, und sie haben auch merkliche Fortschritte gemacht. Gründlich umerzogen werden können die Industriellen und Kaufleute nur in der Arbeit, sie sollten zusammen mit den Arbeitern und Angestellten in den Betrieben arbeiten und die Betriebe zur Basis ihrer Selbstumerziehung machen. Es ist jedoch auch wichtig, daß sie durch Schulung gewisse alte Anschauungen ändern. Die Schulung der Industriellen und Kaufleute sollte auf Freiwilligkeit beruhen. Nach der Teilnahme an mehrwöchigen Lehrgängen stellen viele Industrielle und Kaufleute bei der Rückkehr in ihre Betriebe fest, daß sie häufiger eine gemeinsame Sprache mit den Arbeitermassen und den Vertretern der staatlichen Seite finden, was die Bedingungen für ihre gemeinsame Arbeit verbessert. Sie begreifen aus eigener Erfahrung, daß weiteres Studium, weitere Umerziehung nützlich für sie ist. Die oben erwähnte Meinung, daß die Industriellen und Kaufleute keiner Schulung und Umerziehung bedürften, spiegelt durchaus nicht die Ansicht der Mehrzahl der Industriellen und Kaufleute, sondern nur die einer geringen Anzahl wider.

V. DIE FRAGE DER INTELLIGENZ

Widersprüche innerhalb unseres Volkes treten auch unter der Intelligenz zutage. Mehrere Millionen Intellektuelle, die früher für die alte Gesellschaft gearbeitet haben, dienen jetzt der neuen Gesellschaft. Hier ergibt sich die Frage, wie sie den Erfordernissen der neuen Gesellschaft gerecht werden und wie wir ihnen dabei helfen können. Auch das ist ein Widerspruch im Volk. <457>

Die meisten Intellektuellen unseres Landes haben in den vergangenen sieben Jahren spürbare Fortschritte gemacht und erklären sich mit dem sozialistischen System einverstanden. Viele von ihnen studieren fleißig den Marxismus, und manche sind Kommunisten geworden. Die Zahl der letzteren ist zwar gegenwärtig noch klein, doch wächst sie ständig. Es gibt natürlich noch einige Intellektuelle, die auch heute am Sozialismus zweifeln oder ihn ablehnen. Aber sie sind in der Minderheit.

Für das gigantische und schwierige Werk des Aufbaus des Sozialismus braucht unser Land so viele Intellektuelle wie nur möglich. Wir sollten allen Intellektuellen, die wirklich bereit sind, der Sache des Sozialismus zu dienen, vertrauen, unsere Beziehungen zu ihnen von Grund auf bessern und ihnen bei der Lösung verschiedenartiger Probleme, die eine Lösung erfordern, behilflich sein, damit sie ihre Fähigkeiten voll entfalten können. Viele unserer Genossen verstehen es nicht gut, sich mit Intellektuellen zusammenzuschließen. Sie sind ihnen gegenüber grob, achten ihre Arbeit nicht und mischen sich auf unpassende Weise in wissenschaftliche und kulturelle Angelegenheiten ein, in die sie sich nicht einmischen sollten. Alle diese Mängel müssen überwunden werden.

Obwohl die breiten Massen der Intellektuellen Fortschritte gemacht haben, sollten sie nicht deswegen selbstzufrieden werden. Sie müssen sich weiter umerziehen, sich nach und nach von ihrer bürgerlichen Weltanschauung lösen und zu einer proletarischen, kommunistischen Weltanschauung gelangen, damit sie vollauf den Erfordernissen der neuen Gesellschaft entsprechen und sich eng mit den Arbeitern und Bauern zusammenschließen. Die Änderung der Weltanschauung bedeutet eine grundlegende Umstellung, und es kann auch nicht gesagt werden, daß die meisten unserer Intellektuellen sie gegenwärtig schon vollzogen hätten. Wir hoffen, daß unsere Intellektuellen weiter Fortschritte machen und im Verlauf ihrer Arbeit und ihres Studiums allmählich zu einer kommunistischen Weltanschauung gelangen, allmählich besser den Marxismus-Leninismus erfassen und allmählich mit den Arbeitern und Bauern eins werden. Wir hoffen, daß sie nicht auf halbem Wege stehenbleiben oder gar kehrtmachen, denn ein Rückzug bietet keinen Ausweg. Da sich die Gesellschaftsordnung unseres Landes geändert hat und die ökonomische Basis der bürgerlichen Ideologie im wesentlichen zerstört wurde, ist es für die große Zahl unserer Intellektuellen nicht nur notwendig, sondern auch möglich, ihre Weltanschauung zu ändern. Aber eine endgültige Wandlung der <458> Weltanschauung braucht eine sehr lange Zeit, und wir sollten bei der Arbeit Geduld üben und nichts überstürzen. In der Tat wird es sicher einige geben, die immer noch nicht gewillt sind, den Marxismus- Leninismus und den Kommunismus ideologisch zu akzeptieren; wir dürfen diese Menschen nicht überfordern. Wenn sie nur die Anforderungen des Staates erfüllen und arbeiten, wie es sich gehört, sollten wir ihnen angemessene Arbeitsmöglichkeiten bieten.

In der letzten Zeit hat die ideologische und politische Arbeit unter den Intellektuellen und der studierenden Jugend nachgelassen, und es sind einige Abweichungen aufgetreten. Manche Leute meinen anscheinend, man brauche sich nicht mehr um die Politik, die Zukunft des Vaterlandes und die Ideale der Menschheit zu kümmern. Es scheint, als ob sie den Marxismus, der in ihren Augen einst große Mode war, jetzt nicht mehr so modern finden. Angesichts dieser Lage müssen wir jetzt unsere ideologische und politische Arbeit verstärken. Sowohl die Intellektuellen als auch die studierende Jugend müssen fleißig lernen. Neben dem Fachstudium müssen sie sich um ideologische wie auch um politische Fortschritte bemühen, d. h., sie müssen den Marxismus sowie aktuelle politische Fragen studieren. Keinen richtigen politischen Standpunkt haben bedeutet keine Seele haben. Die bisherige ideologische Umerziehung war notwendig und brachte positive Ergebnisse. Aber die Methoden waren etwas grob, wodurch die Gefühle einiger Leute verletzt wurden. Das war nicht gut. Wir müssen solche Fehler in Zukunft vermeiden. Alle Organisationen müssen die Verantwortung für die ideologisch-politische Arbeit auf sich nehmen. Damit haben sich die Kommunistische Partei, der Jugendverband, die zuständigen Regierungsinstitutionen und erst recht die Schuldirektoren und Lehrer zu befassen. Unsere Bildungspolitik muß gewährleisten, daß jeder, der eine Ausbildung erhält, sich moralisch, geistig und körperlich entwickelt und ein gebildeter Werktätiger mit sozialistischem Bewußtsein wird. Wir müssen Fleiß und Sparsamkeit beim Aufbau des Landes fördern. Wir müssen der ganzen Jugend helfen zu verstehen, daß unser Land gegenwärtig noch sehr arm ist, daß man diese Lage nicht in kurzer Zeit von Grund auf ändern kann und daß nur der vereinte Kampf der Jugend und des ganzen Volkes, nur die Arbeit ihrer eigenen Hände innerhalb einiger Jahrzehnte aus China ein reiches und starkes Land schaffen kann. Die Errichtung unserer sozialistischen Ordnung hat uns den Weg gebahnt, der zu der Welt unserer Ideale führt, doch die Verwirklichung dieser idealen Welt hängt von unserer emsigen Arbeit ab. Manche Jugendliche <459> meinen, wenn wir in einer sozialistischen Gesellschaft leben, müsse alles so gut sein, daß man ohne Mühe das fertige Glück genießen könne. Das ist eine Ansicht, die nicht der Wirklichkeit entspricht.

VI. DIE FRAGE DER NATIONALEN MINDERHEITEN

Die nationalen Minderheiten in unserem Lande zählen über 30 Millionen Menschen. Obwohl sie nur 6 Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas ausmachen, bewohnen sie riesige Gebiete, etwa 50 bis 60 Prozent der Gesamtfläche des Landes. Deshalb sollten zwischen der Han-Bevölkerung und den nationalen Minderheiten unbedingt gute Beziehungen gepflegt werden. Der Schlüssel für die Lösung dieser Frage liegt in der Überwindung des Groß-Han-Chauvinismus. Gleichzeitig muß auch der Lokalnationalismus dort, wo es ihn unter den nationalen Minderheiten gibt, überwunden werden. Sowohl der Groß- Han-Chauvinismus als auch der Lokalnationalismus sind der Einheit aller Nationalitäten abträglich. Das ist einer der Widersprüche im Volk, den es zu überwinden gilt. Wir haben auf diesem Gebiet bereits einige Arbeit geleistet, und in den meisten Gebieten der nationalen Minderheiten haben sich die Beziehungen zwischen den Nationalitäten im Vergleich zu früher stark verbessert. Aber es gibt nach wie vor Probleme, die der Lösung harren. In einigen Gebieten herrschen noch in bedenklichem Maße Groß-Han-Chauvinismus und Lokalnationalismus, und diesem Problem müssen wir starke Beachtung schenken. Dank den Bemühungen aller Nationalitäten in den letzten Jahren wurden in den weitaus meisten von nationalen Minderheiten bewohnten Gebieten Chinas die demokratischen Reformen und die sozialistische Umgestaltung im wesentlichen abgeschlossen. In Tibet sind noch keine demokratischen Reformen durchgeführt, da die Bedingungen dafür dort noch nicht reif sind. Gemäß der 17-Punkte-Vereinbarung zwischen der Zentralen Volksregierung und der Lokalregierung Tibets wird auch dort die Umgestaltung des gesellschaftlichen Systems unbedingt durchgeführt werden, aber der Zeitpunkt dafür kann erst festgelegt werden, wenn die Mehrheit der Volksmassen und der führenden Persönlichkeiten Tibets es für möglich erachtet; hierbei darf man nicht übereilt vorgehen. Nunmehr wurde beschlossen, im zweiten Planjahrfünft keine demokratischen Reformen in Tibet vorzunehmen. Die <460> Frage aber, ob sie im dritten Planjahrfünft durchgeführt werden, kann erst zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung der Umstände entschieden werden.(5)

VII. EINHEITLICH UND UMFASSEND PLANEN,
ANGEMESSEN DISPONIEREN!

Unter der einheitlichen und umfassenden Planung, von der hier gesprochen wird, ist eine Planung zu verstehen, die alle 600 Millionen Menschen unseres Landes einbezieht. Wenn wir Pläne ausarbeiten, Angelegenheiten regeln und über Probleme nachdenken, müssen wir stets von der Tatsache ausgehen, daß unser Land eine Bevölkerung von 600 Millionen hat; wir dürfen das niemals vergessen. Weshalb werfen wir diese Frage auf? Gibt es etwa noch Menschen, die nicht wissen, daß unser Land eine Bevölkerung von 600 Millionen hat? Man weiß das, und nur bei der Arbeit vergessen es einige und meinen, je weniger Menschen und je enger ihr Kreis, desto besser sei es. Menschen mit dieser Mentalität des "engen Kreises“ stehen einer solchen Idee ablehnend gegenüber: Alle positiven Faktoren in Bewegung setzen, alle Menschen, die zusammengeschlossen werden können, zusammenschließen, nach Möglichkeit alle negativen Faktoren in positive umwandeln, um sie in den Dienst der großen Sache des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft zu stellen. Ich hoffe, daß diese Menschen ihren Horizont erweitern und wirklich anerkennen werden, daß unser Land eine Bevölkerung von 600 Millionen hat, daß das eine objektive Tatsache und unser Kapital ist. In unserem Land gibt es viele Menschen, das ist gut, bringt aber natürlich auch Schwierigkeiten mit sich. Unser Aufbau geht auf allen Gebieten machtvoll voran und hat große Erfolge aufzuweisen, jedoch gibt es jetzt, in der Übergangsperiode der gewaltigen sozialen Veränderungen, immer noch viele schwierige Probleme. Sowohl Entwicklung als auch Schwierigkeiten — das ist ein Widerspruch. Alle Widersprüche müssen jedoch nicht nur, sondern können auch ganz sicher gelöst werden. Unsere Richtlinie ist einheitliche und umfassende Planung und angemessene Disposition. In allen Fragen, sei es die Frage des Getreides, der Naturkatastrophen, der Beschäftigung, der Volksbildung, der Intelligenz, sei es die Frage der Einheitsfront aller patriotischen Kräfte, die Frage der nationalen Minderheiten oder irgendeine andere Frage, müssen wir vom Gesichts- <461> punkt der einheitlichen und umfassenden Planung für das gesamte Volk ausgehen, müssen wir je nach den praktischen Möglichkeiten von Zeit und Ort und nach Beratung mit Menschen aller Kreise verschiedene angemessene Dispositionen treffen. Auf keinen Fall darf man darüber nörgeln, daß es zuviel Leute gebe, daß die Menschen rückständig seien, daß die Dinge Scherereien und Schwierigkeiten bereiteten, und sie einfach von sich wegschieben. Wenn ich so sage, bedeutet das denn, daß die Regierung allein für alle Menschen und alle Angelegenheiten verantwortlich ist? Natürlich nicht. Die gesellschaftlichen Organisationen oder direkt die Massen können für viele Dinge und Menschen Maßnahmen ausarbeiten. Sie sind durchaus in der Lage, viele gute Maßnahmen auszuarbeiten. Auch das gehört zu der Richtlinie einheitlicher und umfassender Planung und angemessener Disposition. Dazu müssen wir die gesellschaftlichen Organisationen und die Massen in den verschiedenen Gegenden anleiten,

VIII. "LASST HUNDERT BLUMEN BLÜHEN, LASST
HUNDERT SCHULEN MITEINANDER WETTEIFERN“
UND "KOEXISTENZ AUF LANGE SICHT
UND GEGENSEITIGE KONTROLLE“

Wie kam es zu den Losungen "Laßt hundert Blumen blühen, laßt hundert Schulen miteinander wetteifern“ und "Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Kontrolle“? Sie wurden aufgestellt entsprechend den in China bestehenden konkreten Verhältnissen und auf Grund der Erkenntnis, daß in einer sozialistischen Gesellschaft immer noch verschiedene Arten von Widersprüchen bestehen; sie wurden aufgestellt entsprechend der dringenden Forderung, das Tempo der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Landes zu beschleunigen. Die Richtlinie, hundert Blumen blühen und hundert Schulen miteinander wetteifern zu lassen, soll dem Aufblühen der Künste und dem Fortschritt der Wissenschaft, dem Gedeihen einer sozialistischen Kultur in unserem Lande dienen. Unterschiedliche Formen und Stilarten sollten sich in der Kunst frei entwickeln, und unterschiedliche wissenschaftliche Schulen sollten frei miteinander disputieren. Unserer Meinung nach wäre es für die Entfaltung von Kunst und Wissenschaft schädlich, wenn durch administrativen Zwang ein bestimmter Kunststil oder eine bestimmte Schule durchgesetzt und <462> andere verboten würden. Was in Kunst und Wissenschaft richtig oder falsch ist, soll durch freie Diskussion in den Kreisen der Künstler und Wissenschaftler und durch die praktische künstlerische und wissenschaftliche Arbeit entschieden werden. Es darf nicht auf simple Weise geregelt werden. Oft wird eine Probezeit nötig sein, um zu entscheiden, ob etwas richtig oder falsch ist. In der Geschichte gelang es dem Neuen und Richtigen anfangs oft nicht, die Anerkennung der Mehrheit der Menschen zu erringen, und es konnte sich erst auf Umwegen im Kampf durchsetzen. Richtiges und Gutes wurde häufig zunächst nicht als duftende Blume, sondern als Giftpflanze angesehen. Die Lehre des Kopernikus vom Sonnensystem und Darwins Entwicklungstheorie wurden einst als falsch betrachtet und mußten sich in schwerem Kampf durchsetzen. Die chinesische Geschichte bietet viele ähnliche Beispiele. Im Vergleich zu der alten Gesellschaft sind in der sozialistischen Gesellschaft die Bedingungen für das Heranwachsen des Neuen grundlegend anders, sie sind weitaus besser. Dennoch kommt es immer noch oft vor, daß neuaufstrebende Kräfte niedergehalten und vernünftige Ansichten unterdrückt werden. Übrigens kann das Wachstum des Neuen auch ohne vorsätzliche Unterdrückung, einfach durch Mangel an Einsicht, behindert werden. Darum soll man zur Frage von richtig oder falsch in Wissenschaft und Kunst eine bedachtsame Haltung einnehmen, die freie Diskussion ermutigen und voreilige Schlußfolgerungen vermeiden. Wir glauben, daß den Wissenschaften und Künsten mit einer solchen Haltung geholfen wird, sich verhältnismäßig gut zu entwickeln.

Auch der Marxismus hat sich im Kampf entwickelt. Zu Anfang war er allen möglichen Angriffen ausgesetzt und galt als "Giftpflanze“. In vielen Teilen der Welt wird er noch immer angegriffen und als "Giftpflanze“ angesehen. In den sozialistischen Ländern jedoch nimmt er eine andere Stellung ein. Aber selbst in diesen Ländern gibt es noch nichtmarxistische und auch antimarxistische Ideologien. In unserem Lande ist, was das Eigentum betrifft, die sozialistische Umgestaltung im wesentlichen vollzogen und sind die für die Periode der Revolution charakteristischen umfassenden und stürmischen Klassenkämpfe der Massen im wesentlichen beendet; Überreste der gestürzten Klassen der Grundherren und Kompradoren sind aber noch vorhanden, die Bourgeoisie besteht noch, und das Kleinbürgertum ist gerade erst im Begriff, sich umzuerziehen. Der Klassenkampf ist noch nicht zu Ende. Der Klassenkampf zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie, der Klassenkampf zwischen den verschiedenen politischen Kräften und <463> der Klassenkampf zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie auf ideologischem Gebiet wird noch lange andauern und verwickelt sein und zuweilen sogar sehr scharf werden. Das Proletariat trachtet danach, die Welt nach seiner eigenen Weltanschauung umzugestalten, und die Bourgeoisie tut das gleiche. In dieser Hinsicht ist die Frage "wer wen?" im Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus immer noch nicht endgültig entschieden. Die Marxisten stellen noch eine Minderheit sowohl unter der Gesamtbevölkerung als auch unter den Intellektuellen dar. Der Marxismus muß sich daher nach wie vor im Kampf entwickeln. Der Marxismus kann sich nur im Kampf entwickeln. Das trifft nicht nur auf die Vergangenheit und auf die Gegenwart zu, es wird auch in der Zukunft unbedingt Gültigkeit behalten. Das Richtige entwickelt sich immer im Kampf gegen das Falsche. Das Wahre, Gute und Schöne steht immer im Wechselverhältnis zum Falschen, Bösen und Häßlichen und wächst im Kampf mit diesem. Wenn die Menschheit etwas Fehlerhaftes im allgemeinen bereits abgelehnt und eine Wahrheit angenommen hat, kämpft schon eine neue Wahrheit gegen neue falsche Vorstellungen. Diese Art Kampf wird niemals enden. Das ist das Entwicklungsgesetz der Wahrheit, und es ist natürlich auch das Entwicklungsgesetz des Marxismus.

Es wird noch eine ziemlich lange Zeit brauchen, bis auf ideologischem Gebiet der Kampf um Sieg oder Niederlage zwischen Sozialismus und Kapitalismus in unserem Lande entschieden ist. Das hat seinen Grund darin, daß der Einfluß der Bourgeoisie und der aus der alten Gesellschaft stammenden Intelligenz in unserem Land noch lange fortbestehen, als Klassenideologie noch lange existieren wird. Wenn wir das nicht in vollem Maße oder gar überhaupt nicht erkennen, werden wir einen überaus schweren Fehler begehen und es versäumen, den notwendigen ideologischen Kampf zu führen. Der ideologische Kampf unterscheidet sich von anderen Kämpfen. In diesem Kampf darf man nicht mit rohen Zwangsmaßnahmen, sondern nur mit der Methode der sorgfältigen Überzeugung vorgehen. Heute besitzt der Sozialismus im ideologischen Kampf eine große Überlegenheit. Die Hauptkraft der Staatsmacht liegt in den Händen der Werktätigen unter Führung des Proletariats. Die Kommunistische Partei hat große Kraft und sehr hohes Ansehen. Obwohl es in unserer Arbeit noch Mängel und Fehler gibt, kann jeder aufrichtige Mensch erkennen, daß wir treu zum Volk stehen, daß wir entschlossen und in der Lage sind, gemeinsam mit dem Volk unser Vaterland gut aufzu- <464> bauen, daß wir bereits große Erfolge erzielt haben und noch größere erzielen werden. Die bürgerlichen Elemente und die aus der alten Gesellschaft stammende Intelligenz sind in überwiegender Mehrheit patriotisch gesinnt. Sie sind bereit, dem täglich mehr aufblühenden sozialistischen Vaterland zu dienen, und sie wissen, daß sie sich auf niemand stützen und keiner lichten Zukunft entgegensehen können, wenn sie sich vom Sozialismus und von den unter der Führung der Kommunistischen Partei stehenden Werktätigen abwenden.

Man könnte fragen: Kann der Marxismus, der in unserem Land von der Mehrheit des Volkes als die führende Ideologie anerkannt ist, noch kritisiert werden? Aber sicher. Der Marxismus ist eine wissenschaftliche Wahrheit, er fürchtet keine Kritik. Täte er es und wäre er durch Kritik zu besiegen, dann taugte er eben nichts. Kritisieren nicht tatsächlich die Idealisten den Marxismus täglich und auf jede erdenkliche Weise? Kritisieren nicht auch Leute, die bürgerliche und kleinbürgerliche Ideen hegen und sich nicht ändern wollen, den Marxismus auf jede mögliche Weise? Die Marxisten sollten keine Kritik, woher sie auch komme, fürchten. Ganz im Gegenteil, sie müssen sich im Feuer der Kritik und im Sturm des Kampfes stählen und entwickeln und ihre Stellungen ausbauen. Der Kampf gegen falsche Ideen wirkt wie eine Pockenimpfung, der Mensch entwickelt größere Immunität gegen die Krankheit, nachdem der Impfstoff gewirkt hat. Pflanzen, die in Treibhäusern wachsen, können keine große Lebenskraft besitzen. Die Durchführung der Politik "Laßt hundert Blumen blühen, laßt hundert Schulen miteinander wetteifern“ wird die führende Stellung des Marxismus auf ideologischem Gebiet nicht schwächen, sondern stärken.

Was für eine Politik sollten wir gegenüber unmarxistischen Ideen verfolgen? Was offensichtliche Konterrevolutionäre und Saboteure am Sozialismus betrifft, so ist die Sache leicht erledigt: Wir nehmen ihnen einfach die Redefreiheit. Bei falschen Ideen im Volk ist das etwas anderes. Kann man solche Ideen verbieten und ihnen jegliche Ausdrucksmöglichkeit nehmen? Gewiß nicht. Es ist nicht nur unwirksam, sondern sogar sehr schädlich, ideologische Probleme im Volk oder Probleme des Geisteslebens der Menschen mit einfachen Methoden behandeln zu wollen. Man kann die Äußerung falscher Ideen verhindern, aber die falschen Ideen werden doch weiterbestehen. Andererseits können richtige Ideen — wenn sie wie im Treibhaus gepflegt werden, ohne Wind und Regen ausgesetzt oder gegen Krankheiten immunisiert zu werden — nicht siegen, wenn sie auf <465> falsche Ideen stoßen. Deshalb können wir nur durch Anwendung der Methoden der Diskussion, Kritik und Überzeugung richtige Ideen wirklich fördern und falsche Ideen überwinden; nur so lassen sich Probleme wirklich lösen.

Die Ideologie der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums wird bestimmt zum Ausdruck kommen. Sie wird sich in politischen und ideologischen Fragen mit allen Mitteln hartnäckig kundtun. Es ist unmöglich zu verhindern, daß sie an die Oberfläche kommt, sich äußert. Wir sollten keine Druckmittel anwenden, damit sie nicht zum Vorschein komme, sondern sie ans Tageslicht treten lassen; bei ihrem Auftreten müssen wir uns mit ihr auseinandersetzen und sie entsprechend kritisieren. Es kann nicht den geringsten Zweifel geben, daß wir falsche Ideen aller Art kritisieren müssen. Es geht natürlich nicht, sich der Kritik zu enthalten, untätig zuzuschauen, wie überall falsche Ansichten um sich greifen, und zu gestatten, daß sie das Feld beherrschen. Fehler müssen kritisiert und Giftpflanzen bekämpft werden, wo immer sie auftauchen. Aber eine solche Kritik soll nicht dogmatisch sein. Man darf sich dabei nicht einer metaphysischen Methode bedienen, sondern muß sich bemühen, die dialektische Methode anzuwenden. Was wir brauchen, ist eine wissenschaftliche Analyse, sind restlos überzeugende Argumente. Mit dogmatischer Kritik kann man keine Probleme lösen. Wir bekämpfen alle Giftpflanzen, aber wir müssen zwischen wirklichen Giftpflanzen und duftenden Blumen sorgfältig unterscheiden. Wir müssen gemeinsam mit den Volksmassen lernen, sorgfältig diese Unterscheidung zu treffen, und gemeinsam mit Hilfe der richtigen Methoden die Giftpflanzen bekämpfen.

Während wir den Dogmatismus kritisieren, müssen wir gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit auf die Kritik am Revisionismus lenken. Der Revisionismus oder Rechtsopportunismus ist eine bürgerliche ideologische Strömung, er ist von noch größerer Gefährlichkeit als der Dogmatismus. Die Revisionisten oder Rechtsopportunisten geben ein Lippenbekenntnis zum Marxismus ab und greifen dabei auch den "Dogmatismus“ an. Aber das, was sie angreifen, ist gerade das Fundamentalste am Marxismus. Sie bekämpfen oder entstellen den Materialismus und die Dialektik, sie sind gegen die demokratische Diktatur des Volkes und die führende Rolle der Kommunistischen Partei oder suchen sie zu schwächen. Sie bekämpfen die sozialistische Umgestaltung und den Aufbau des Sozialismus oder versuchen beides zu schwächen. Selbst nachdem die sozialistische Revolution in unserem Land im wesentlichen gesiegt hat, gibt es in unserer Gesellschaft noch <466> eine Anzahl von Leuten, die von der Wiederherstellung des kapitalistischen Systems träumen. Sie bekämpfen die Arbeiterklasse an allen Fronten, einschließlich der ideologischen Front. Und in diesem Kampf sind dir Revisionisten ihre besten Helfer.

Dem Wortlaut nach haben diese zwei Losungen — "Laßt hundert Blumen blühen“ und "Laßt hundert Schulen miteinander wetteifern“ - keinen Klassencharakter, das Proletariat kann sie ebenso anwenden wie die Bourgeoisie und andere Leute. Und verschiedene Klassen, Schichten und gesellschaftliche Gruppen haben jeweils ihre eigenen Ansichten darüber, was duftende Blumen und was Giftpflanzen sind. Was sollten nun heute vom Standpunkt der breiten Volksmassen die Kriterien für die Unterscheidung zwischen duftenden Blumen und Giftpflanzen sein? Wie soll man im politischen Leben unseres Volkes entscheiden, was an unseren Worten und Taten richtig oder falsch ist? Entsprechend den Grundsätzen unserer Verfassung, dem Willen der überwältigenden Mehrheit unseres Volkes und den gemeinsamen politischen Stellungnahmen, die von den verschiedenen Parteien und Gruppen unseres Landes bei vielen Gelegenheiten verkündet wurden, können dafür unserer Meinung nach ungefähr folgende Kriterien angegeben werden: Worte und Taten sind richtig, wenn sie

  1. dazu beitragen, das aus verschiedenen Nationalitäten bestehende Volk zu einigen, und es nicht spalten;

  2. die sozialistische Umgestaltung und den Aufbau des Sozialismus fördern und nicht schädigen;

  3. dazu beitragen, die demokratische Diktatur des Volkes zu festigen, und sie nicht unterminieren oder schwächen;

  4. dazu beitragen, den demokratischen Zentralismus zu stärken, und ihn nicht unterminieren oder schwächen;

  5. dazu beitragen, die Führung durch die Kommunistische Partei zu stärken, und nicht dazu dienen, sie abzuschütteln oder zu schwächen;

  6. die internationale sozialistische Einheit und die internationale Solidarität aller friedliebenden Völker fördern und nicht schädigen.

Die wichtigsten dieser sechs Kriterien sind der sozialistische Weg und die Führung durch die Partei. Diese Kriterien werden formuliert, um dem Volk zu helfen, eine freie Diskussion über Probleme aller Art zu entfalten, und nicht, um diese Diskussion zu behindern. Wer diese Kriterien nicht billigt, kann immer noch seine eigenen Ansichten <467> Vorbringen und zur Diskussion stellen. Wenn sich aber die Mehrzahl der Menschen nach klar umrissenen Kriterien richtet, können Kritik und Selbstkritik auf richtigen Bahnen geübt und diese Kriterien auf die Worte und Taten der Menschen angewandt werden, um festzustellen, ob sie richtig oder falsch sind, ob es sich um duftende Blumen oder Giftpflanzen handelt. Es sind politische Kriterien. Natürlich sind für die Beurteilung der Richtigkeit wissenschaftlicher Theorien oder für die Einschätzung des ästhetischen Wertes von Kunstwerken noch jeweils andere, spezifische Kriterien erforderlich, aber diese sechs politischen Kriterien gelten ebenfalls für jede wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit. Kann es in einem sozialistischen Land wie dem unseren irgendeine nützliche wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit geben, die diesen politischen Kriterien zuwiderläuft?

Alle oben dargelegten Ansichten sind aus den konkreten historischen Bedingungen unseres Landes abgeleitet. Die Verhältnisse in den verschiedenen sozialistischen Ländern und bei den kommunistischen Parteien verschiedener Länder weichen voneinander ab. Daher sind wir nicht der Ansicht, daß andere Länder und Parteien die chinesischen Methoden anwenden müßten oder sollten.

Die Losung "Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Kontrolle“ ist ebenfalls ein Produkt der konkreten historischen Bedingungen in unserem Lande. Sie wurde nicht plötzlich aufgestellt, sondern ist im Laufe mehrerer Jahre herangereift. Die Idee der Koexistenz auf lange Sicht bestand seit langem, aber im vergangenen Jahr, als die sozialistische Ordnung im wesentlichen errichtet war, wurde diese Losung klar und exakt formuliert und verkündet. Weshalb muß man das Bestehen der demokratischen Parteien der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums neben der Partei der Arbeiterklasse auf lange Sicht zulassen? Weil wir keinen Grund haben, die Politik der langfristigen Koexistenz mit allen jenen Parteien, die sich tatsächlich um den Zusammenschluß des Volkes für die Sache des Sozialismus bemühen und das Vertrauen des Volkes genießen, nicht zu verfolgen. Schon auf der 2. Tagung des I. Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz im Juni 1950 sagte ich:

Wenn einer aufrichtig dem Volk dienen will, diesem in Zeiten der Not wirklich geholfen und Gutes geleistet hat und wenn er auch weiterhin so handelt, ohne auf halbem Wege aufzugeben, dann haben das Volk und die Volksregierung keinen Grund, ihn zurückzustoßen oder ihm die Möglichkeit zu nehmen, seinen <468> Lebensunterhalt zu verdienen und seine Kräfte für das Volk einzusetzen.

Das hier Dargelegte ist die politische Grundlage für die Möglichkeit einer Koexistenz der verschiedenen Parteien auf lange Sicht. Koexistenz auf lange Sicht zwischen der Kommunistischen Partei und den demokratischen Parteien — das ist unser Wunsch, das ist auch unsere Politik. Ob diese demokratischen Parteien lange bestehen können, hängt nicht nur von dem Wunsch der Kommunistischen Partei ab, sondern auch davon, wie sich diese demokratischen Parteien bewähren, und davon, ob sie das Vertrauen des Volkes erwerben. Die gegenseitige Kontrolle der verschiedenen Parteien existiert auch schon lange: Das sind der Meinungsaustausch zwischen den Parteien und die gegenseitige Kritik. Gegenseitige Kontrolle, die natürlich keine einseitige Angelegenheit ist, bedeutet, daß die Kommunistische Partei die demokratischen Parteien kontrollieren kann und daß auch die demokratischen Parteien die Kommunistische Partei kontrollieren können. Weshalb wird den demokratischen Parteien gestattet, die Kommunistische Partei zu kontrollieren? Weil es für eine Partei ebenso wie für eine Einzelperson sehr notwendig ist, andere Meinungen zu hören. Jedermann weiß, daß die Kontrolle über die Kommunistische Partei in der Hauptsache von dem werktätigen Volk und der Masse der Parteimitglieder ausgeübt wird. Aber der Nutzen wird für uns noch größer sein, wenn die demokratischen Parteien da sind. Selbstverständlich werden der Meinungsaustausch zwischen der Kommunistischen Partei und den demokratischen Parteien und die gegenseitige Kritik nur dann eine positive Rolle als gegenseitige Kontrolle spielen, wenn die Meinungen und die Kritik mit den oben angeführten sechs politischen Kriterien im Einklang stehen. Deshalb hoffen wir, daß alle demokratischen Parteien der ideologischen Umerziehung Beachtung schenken und sich für die Koexistenz auf lange Sicht mit der Kommunistischen Partei und für die gegenseitige Kontrolle einsetzen werden, um den Erfordernissen der neuen Gesellschaft zu entsprechen.

IX. ÜBER DIE FRAGE DER UNRUHESTIFTUNG DURCH KLEINE GRUPPEN VON MENSCHEN

Im Jahre 1956 traten in einzelnen Gegenden kleine Gruppen von Arbeitern und Studenten in den Streik. Die unmittelbare Ursache <469> für die Unruhestiftung war, daß einige ihrer materiellen Forderungen nicht befriedigt wurden. Einige dieser Forderungen hätten erfüllt werden sollen und können, während andere unangebracht oder so übertrieben waren, daß sie vorläufig nicht befriedigt werden konnten. Doch eine wesentlichere Ursache für die Unruhen war Bürokratismus in den Leitungen. Für einige Fehler, die durch diesen Bürokratismus verursacht wurden, sind übergeordnete Behörden verantwortlich, und man darf nicht die ganze Schuld auf die unteren Ebenen abwälzen. Eine weitere Ursache war die unzureichende ideologische und politische Erziehung der Arbeiter und Studenten. Im gleichen Jahr gab es unter einer kleinen Anzahl von Mitgliedern landwirtschaftlicher Genossenschaften ebenfalls Unruhe. Auch hier waren die Hauptursachen der Bürokratismus leitender Funktionäre und mangelnde erzieherische Arbeit unter den Massen.

Man muß zugeben, daß ein Teil der Massen oft dazu neigt, das Augenmerk auf augenblickliche, teilweise und persönliche Interessen zu richten; solche Leute haben für die langfristigen, gesamtstaatlichen und kollektiven Interessen kein oder nur ungenügendes Verständnis. Viele Jugendliche sind aus Mangel an Erfahrung im politischen und gesellschaftlichen Leben nicht in der Lage, den Kontrast zwischen dem alten und dem neuen China richtig zu sehen. Es fällt ihnen schwer, gründlich zu begreifen, welch außerordentlich harten und schweren Kampf unser Volk durchzustehen hatte, ehe es sich vom Joch des Imperialismus und der Kuomintang-Reaktionäre befreien konnte, und welch langjährige harte Arbeit notwendig ist, um eine blühende sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Deshalb muß unter den Massen ständig eine lebendige und wirksame politische Erziehungsarbeit geleistet werden; man muß den Massen ständig die auftauchenden Schwierigkeiten wahrheitsgetreu erläutern und zusammen mit ihnen Maßnahmen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten ermitteln.

Wir billigen keine Unruhen, da Widersprüche im Volke nach der Methode "Einheit — Kritik — Einheit“ gelöst werden können, während Unruhen unausbleiblich einige Verluste hervorrufen und der Entwicklung des Sozialismus abträglich sind. Wir sind überzeugt, daß die breiten Volksmassen in unserem Land für den Sozialismus eintre- ten, daß sie bewußt Disziplin halten und vernünftig sind und sich niemals auf unbegründete Unruhen einlassen werden. Das bedeutet aber nicht, daß in unserem Land die Möglichkeit der Entstehung von Unruhen unter den Massen bereits ausgeschlossen wäre. In dieser <470> Frage sollten wir folgendes beachten: 1. Um die Ursachen von Unruhen mit der Wurzel zu beseitigen, muß man entschlossen den Bürokratismus ausmerzen, die ideologische und politische Erziehung bedeutend verstärken und die verschiedenen Widersprüche auf geeignete Art behandeln. Wenn das getan ist, wird es in der Regel keine Unruhen geben. 2. Wenn es infolge unserer schlechten Arbeit zu Unruhen kommt, muß man dem Teil der Massen, der daran beteiligt ist, den richtigen Weg weisen und die Unruhen als besonderes Mittel ausnutzen, um die Arbeit zu verbessern sowie die Funktionäre und die Massen zu erziehen, und so die Probleme lösen, die vorher nicht gelöst wurden. Bei der Behandlung von Unruhen muß man sorgfältige Arbeit leisten, darf man keine simplifizierenden Methoden anwenden, darf man nicht übereilt die Sache für erledigt erklären. Man darf die Anführer der Unruhen nicht leichthin aus ihren Kollektiven entfernen, es sei denn, es handle sich um Elemente, die gegen die Strafgesetze verstoßen haben, oder um aktive konterrevolutionäre Elemente. Solche Elemente sind vor ein Gericht zu stellen. In einem so großen Land wie dem unseren braucht man wegen Unruhen, an denen wenige Menschen beteiligt sind, nicht nervös zu werden; sie helfen uns vielmehr, den Bürokratismus zu überwinden.

In unserer Gesellschaft gibt es auch eine geringe Anzahl von Menschen, die sich über die öffentlichen Interessen hinwegsetzen, die nichts und niemanden anerkennen, die Gewalttaten und andere Verbrechen begehen. Möglicherweise werden sie unsere politischen Richtlinien ausnutzen und entstellen und vorsätzlich unbegründete Forderungen stellen, um die Massen aufzuwiegeln; oder sie werden böswillig Gerüchte verbreiten und Verwirrung stiften, um Ruhe und Ordnung in der Gesellschaft zu stören. Wir billigen es keineswegs, daß dieser Kategorie von Menschen gegenüber Nachsicht geübt wird. Im Gegenteil, es müssen geeignete gesetzliche Maßnahmen gegen sie getroffen werden. Es ist die Forderung der breiten Massen der Gesellschaft, daß diese Kategorie von Menschen bestraft wird; sie nicht bestrafen hieße sich dem Willen der Massen widersetzen.

X. KANN SICH SCHLECHTES
IN GUTES VERWANDELN?

Wie ich schon oben sagte, sind Unruhen unter den Massen in unserer Gesellschaft etwas Schlechtes, und wir billigen sie nicht. <471>

Aber das Entstehen solcher Unruhen kann uns veranlassen, Lehren zu ziehen, den Bürokratismus zu überwinden sowie die Kader und die Massen zu erziehen. In diesem Sinne kann sich Schlechtes in Gutes verwandeln. Unruhen haben einen zwiespältigen Charakter. Alle Arten von Unruhen können unter diesem Gesichtswinkel betrachtet werden.

Die ungarischen Ereignisse waren keine gute Sache, das ist jedermann klar. Aber auch sie haben einen zwiespältigen Charakter. Weil ungarische Genossen im Verlauf der Ereignisse richtig handelten, verwandelten sich diese Ereignisse letzten Endes aus Schlechtem in Gutes. Der ungarische Staat steht jetzt fester als zuvor, und alle anderen Länder des sozialistischen Lagers haben ebenfalls Lehren daraus gezogen.

Ebenso ist die weltweite antikommunistische und volksfeindliche Kampagne in der zweiten Hälfte des Jahres 1956 gewiß eine schlechte Sache. Aber sie diente den kommunistischen Parteien und der Arbeiterklasse in allen Ländern zur Lehre, stählte sie und verwandelte sich auf diese Weise in etwas Gutes. In vielen Ländern trat während dieser Kampagne eine Anzahl von Menschen aus den kommunistischen Parteien aus. Das Ausscheiden eines Teils der Mitglieder aus der Partei und ihre zahlenmäßige Verkleinerung ist natürlich eine schlechte Sache, aber sie hat auch eine gute Seite. Schwankende Elemente wollten nicht mehr mitmachen und traten aus der Partei aus, die standhaften Parteimitglieder, die große Mehrheit, schlossen sich nun enger zum Kampf zusammen. Ist das nicht auch eine gute Sache?

Mit einem Wort, wir müssen es erlernen, die Probleme allseitig zu betrachten, nicht nur die Vorderseite der Dinge zu sehen, sondern auch ihre Kehrseite. Unter bestimmten Bedingungen kann Schlechtes zu guten Ergebnissen und Gutes zu schlechten Ergebnissen führen. Vor mehr als 2 000 Jahren sagte Lao Dsi: "Glück stützt sich auf Unglück, Unglück verbirgt sich im Glück.“(6) Die Invasion Japans in China bezeichneten die Japaner als einen Sieg. Die Besetzung riesiger Gebiete Chinas bezeichneten die Chinesen als eine Niederlage. Aber Chinas Niederlage barg den Sieg in sich, und in Japans Sieg war die Niederlage verborgen. Ist das nicht durch die Geschichte bestätigt?

In der ganzen Welt wird jetzt darüber diskutiert, ob ein dritter Weltkrieg ausbrechen wird oder nicht. Wir müssen auf diese Möglichkeit innerlich vorbereitet sein und die Dinge analysieren. Wir setzen uns entschieden für den Frieden und gegen den Krieg ein. Aber <472> wenn die Imperialisten unbedingt einen Krieg entfesseln wollen, brauchen wir ihn auch nicht zu fürchten. Unsere Haltung in dieser Frage ist die gleiche wie zu allen Unruhen: erstens, wir sind dagegen; und zweitens, wir fürchten uns nicht. Auf den ersten Weltkrieg folgte die Entstehung der Sowjetunion mit einer Bevölkerung von 200 Millionen. Der zweite Weltkrieg brachte die Entstehung des sozialistischen Lagers mit einer Gesamtbevölkerung von 900 Millionen. Man kann mit Bestimmtheit Voraussagen: Sollten die Imperialisten dennoch einen dritten Weltkrieg entfesseln, werden im Ergebnis des Krieges unausbleiblich weitere Hunderte Millionen Menschen auf die Seite des Sozialismus treten, und dem Imperialismus wird nicht viel Raum mehr bleiben; es kann auch dazu kommen, daß das gesamte imperialistische System völlig zusammenbricht.

Im Ergebnis ihres Kampfes gegeneinander müssen sich die beiden gegensätzlichen Seiten eines Widerspruchs unter bestimmten Bedingungen unausbleiblich in ihr Gegenteil verwandeln. Dabei sind die Bedingungen von Bedeutung. Ohne bestimmte Bedingungen können sich die beiden miteinander kämpfenden Seiten nicht ineinander verwandeln. In der Welt ist es das Proletariat, das am meisten seine Lage verändern will; dann folgt das Halbproletariat. Denn das erstere besitzt gar nichts, während das letztere nicht viel besser dran ist. Die gegenwärtige Lage, da die USA die Stimmenmehrheit in der UNO manipulieren und viele Gebiete der Welt kontrollieren, ist nicht von Dauer. Der Tag wird kommen, da sich diese Lage ändert. Chinas Lage als armes Land, das seiner Rechte in der internationalen Arena beraubt ist, wird sich ebenfalls ändern. Ein armes Land wird reich werden, Rechtlosigkeit verwandelt sich in Vollbesitz der Rechte. Das eben ist die Verwandlung in das Gegenteil. Hierfür sind das sozialistische System und der vereinte, geschlossene Kampf des Volkes die entscheidenden Voraussetzungen.

XI. ÜBER DAS SPARSAMKEITSREGIME

Hier möchte ich auf das Sparsamkeitsregime eingehen. Wir wollen einen gewaltigen Aufbau durchführen, aber unser Land ist noch sehr arm. Das ist ein Widerspruch. Die allseitige und unermüdliche Verwirklichung eines strengen Sparsamkeitsregimes ist eine der Methoden /ur Losung dieses Widerspruchs.

<473>
Während der Bewegung gegen die "drei Übel“ im Jahre 1952 kämpften wir gegen Korruption, Verschwendung und Bürokratismus, wobei das Hauptgewicht auf der Bekämpfung der Korruption lag. Im Jahre 1955 propagierten wir die Sparsamkeit. Damals lag das Hauptgewicht auf dem Kampf gegen überhöhte Richtsätze bei Investbauten unproduktiven Charakters und auf der Einsparung von Rohstoffen in der industriellen Produktion. Darin hatten wir große Erfolge aufzuweisen. Zu jener Zeit war die Sparsamkeit noch nicht in allen Zweigen der Volkswirtschaft ernsthaft als ein führendes Prinzip durchgesetzt, ebensowenig in Dienststellen, Armee-Einheiten, Schulen und Massenorganisationen im allgemeinen. In diesem Jahr müssen wir auf allen Gebieten im ganzen Land du Sparsamkeit fördern und die Verschwendung bekämpfen. Es fehlt uns noch an Erfahrungen beim Aufbau. Während der letzten Jahre hat es neben großen Erfolgen auch Verschwendung gegeben. Wir müssen nach und nach eine Reihe von großen modernen Betrieben als Grundstock schaffen, ohne den wir nicht in der Lage sein werden, unser Land in wenigen Jahrzehnten in eine moderne Industriemacht zu verwandeln. Aber die meisten Betriebe sollten nicht solche sein. Wir müssen mehr kleine und mittlere Betriebe errichten, müssen die von der alten Gesellschaft übernommene industrielle Basis voll ausnutzen und mit aller Kraft Einsparungen anstreben, um mit wenigen Mitteln mehr zu schaffen. Nachdem die 2. Plenartagung des VIII. ZK der KP Chinas im November vorigen Jahres das Prinzip der Verwirklichung eines strengen Sparsamkeitsregimes und des Kampfes gegen die Verschwendung noch nachdrücklicher betont hat, sind in wenigen Monaten schon die ersten guten Ergebnisse erzielt worden. Die jetzige Bewegung für das Sparsamkeitsregime muß konsequent und beharrlich geführt werden. Der Kampf gegen die Verschwendung ist ebenso wie die Kritik an anderen Mängeln und Fehlern mit dem Waschen zu vergleichen. Waschen sich die Menschen nicht täglich das Gesicht? Die Kommunistische Partei Chinas, die demokratischen Parteien, die parteilosen Demokraten, die Intellektuellen, die Industriellen und Kaufleute, Arbeiter, Bauern und Handwerker, kurz, wir alle — die 600 Millionen Menschen Chinas — müssen für die Steigerung der Produktion und das Sparsamkeitsregime, gegen Extravaganzen und Verschwendung kämpfen. Das ist nicht nur von großer wirtschaftlicher, sondern auch von großer politischer Bedeutung. Gegenwärtig macht sich unter vielen unserer Funktionäre immer mehr eine gefährliche Tendenz bemerkbar, die darin zum Ausdruck kommt, daß sie nicht gewillt sind, mit den Massen <474> Wohl und Wehe zu teilen, daß sie auf persönlichen Ruhm und Vorteil aus sind. Das ist sehr schlecht. Im Verlauf der Bewegung für Produktionssteigerung und Sparsamkeit fordern wir eine Vereinfachung des Apparats und die Freisetzung von Funktionären für den Einsatz auf unterer Ebene, so daß eine beträchtliche Anzahl Funktionäre zur Produktion zurückkehren kann. Das ist eine der Methoden zur Überwindung dieser gefährlichen Tendenz. Wir müssen dafür sorgen, daß alle Funktionäre und das ganze Volk ständig daran denken, daß China ein großes sozialistisches Land und zugleich ein wirtschaftlich rückständiges, armes Land ist. Das ist ein großer Widerspruch. Damit unser Land reich und stark wird, sind einige Jahrzehnte harten Kampfes notwendig; zu diesem gehört u. a., daß man beim Aufbau des Landes den Kurs "Fleiß und Sparsamkeit“ einhält, d. h. strikte Wirtschaftlichkeit praktiziert und gegen Verschwendung kämpft.

XII. CHINAS WEG ZUR INDUSTRIALISIERUNG

Wenn ich von unserem Weg zur Industrialisierung spreche, meine ich in der Hauptsache das Verhältnis in der Entwicklung der Schwerindustrie, der Leichtindustrie und der Landwirtschaft. Im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Aufbaus in unserem Land steht die Schwerindustrie, das steht unbedingt fest. Aber gleichzeitig muß der Entwicklung der Landwirtschaft und der Leichtindustrie volle Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Unser Land ist ein großes Agrarland, dessen Bevölkerung zu mehr als 80 Prozent auf dem Lande lebt; die Entwicklung der Industrie muß gleichzeitig mit derjenigen der Landwirtschaft erfolgen, nur dann wird die Industrie Rohstoffe und einen Absatzmarkt haben, und nur dann wird es möglich sein, mehr Mittel für den Aufbau einer mächtigen Schwerindustrie zu akkumulieren. Jeder weiß, daß die Leichtindustrie auf das engste mit der Landwirtschaft verbunden ist. Ohne die Landwirtschaft kann es keine Leichtindustrie geben. Was aber jetzt noch nicht klar erkannt wird, ist, daß die Landwirtschaft einen bedeutenden Absatzmarkt für die Schwerindustrie darstellt. Doch wird diese Tatsache leichter zu begreifen sein, sowie die der Landwirtschaft dienenden Maschinen und Düngemittel, Wasserbau- und Kraftwerksanlagen, Transportmöglichkeiten sowie Brennstoffe und Baustoffe für den Zivilbedarf usw. infolge des allmählichen Fortschritts der tech- <475> nischen Umgestaltung und Modernisierung der Landwirtschaft immer mehr werden. Wenn es gelingt, unsere Landwirtschaft im zweiten und dritten Planjahrfünft noch stärker zu entwickeln und dementsprechend die Leichtindustrie auszuweiten, wird das der gesamten Volkswirtschaft von Nutzen sein, Durch die Entwicklung der Landwirtschaft und der Leichtindustrie wird die Schwerindustrie Absatzmärkte und Geldmittel erhalten und so noch rascher wachsen. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, daß sich das Tempo der Industrialisierung etwas verlangsamt. Doch tatsächlich ist das nicht der Fall, das Tempo kann sogar noch beschleunigt werden. Im Laufe von drei Planjahrfünften oder in einer etwas längeren Frist kann Chinas jährliche Stahlproduktion von dem Rekordstand vor der Befreiung, der bei etwas über 900 000 Tonnen im Jahre 1943 lag, auf 20 Millionen Tonnen oder mehr erhöht werden. Dann wird sich die Bevölkerung in Stadt und Land freuen.

Ich möchte heute nicht viel über wirtschaftliche Fragen sprechen. Nach bloß sieben Jahren wirtschaftlichen Aufbaus fehlt es uns immer noch an Erfahrung, und wir müssen noch Erfahrungen sammeln. Als wir mit der Revolution begannen, hatten wir zunächst auch keine. Aber eine Reihe von Niederlagen und Mißerfolgen lieferte uns die Erfahrungen, und erst dann errangen wir den Sieg im ganzen Land. Was wir von uns verlangen müssen, ist, beim wirtschaftlichen Aufbau etwas rascher Erfahrungen zu sammeln als in der Revolution. Gleichzeitig sollten wir uns bemühen, einen nicht so hohen Preis dafür bezahlen zu müssen. Sicher müssen wir zahlen, aber es sollte weniger sein als in der Periode der Revolution. Man muß einsehen, daß hier ein Widerspruch besteht — der zwischen den objektiven Gesetzen der wirtschaftlichen Entwicklung in der sozialistischen Gesellschaft und unserem subjektiven Verständnis dafür — und daß dieser Widerspruch in der Praxis gelöst werden muß. Dieser Widerspruch tritt auch als Widerspruch zwischen Menschen in Erscheinung, d. h. als Widerspruch zwischen denen, in deren Köpfen sich die objektiven Gesetze verhältnismäßig richtig, und denen, in deren Köpfen sie sich verhältnismäßig falsch widerspiegeln. So handelt es sich auch um einen Widerspruch im Volk. Jeder Widerspruch ist eine objektive Realität, und es ist unsere Aufgabe, ihn möglichst richtig zu erfassen und zu lösen.

Um China zu einer Industriemacht zu machen, müssen wir ernsthaft die fortgeschrittenen Erfahrungen der Sowjetunion studieren. Die Sowjetunion baut den Sozialismus schon seit vierzig Jahren auf, und ihre Erfahrungen sind für uns sehr wertvoll. Fragen wir uns nur, wer <476> so viele bedeutende Betriebe für uns projektiert und ausgerüstet hat. Waren es etwa die USA? Oder Großbritannien? Nein, sie waren es nicht. Nur die Sowjetunion war dazu bereit, weil sie ein sozialistisches Land und unser Verbündeter ist. Neben der Sowjetunion haben uns auch einige Bruderländer Osteuropas eine gewisse Hilfe gewährt. Gewiß, wir müssen aus den guten Erfahrungen aller Länder — ob sie sozialistisch oder kapitalistisch sind — lernen, das steht fest. Aber in der Hauptsache sollten wir von der Sowjetunion lernen. Es gibt zwei verschiedene Einstellungen zum Lernen. Die eine ist dogmatisch. Sie besteht darin, alles zu übernehmen, sei es für die Verhältnisse unseres Landes geeignet oder nicht. Das ist keine gute Einstellung. Die andere besteht darin, beim Studium den Kopf anzustrengen und alles das zu erlernen, was den Bedingungen unseres Landes entspricht, das heißt alle für uns nützlichen Erfahrungen auszuwerten. Genau diese Einstellung brauchen wir.

Festigung unserer Verbundenheit mit der Sowjetunion, Festigung unserer Verbundenheit mit allen sozialistischen Ländern — das ist unsere grundlegende Politik, hierin liegen unsere grundlegenden Interessen. Außerdem müssen wir unsere Solidarität mit den asiatischen und den afrikanischen Ländern und allen friedliebenden Ländern und Völkern festigen und entwickeln. Wenn wir uns mit diesen beiden Arten von Kräften zusammenschließen, stehen wir nicht mehr allein da. Was die imperialistischen Länder betrifft, so müssen wir uns auch mit ihren Völkern zusammenschließen, müssen danach streben, in friedlicher Koexistenz mit diesen Staaten zu leben, Handel mit ihnen zu treiben und den Ausbruch eines Krieges zu verhindern, dürfen uns aber unter keinen Umständen von diesen Staaten irgendwelche unrealistischen Vorstellungen machen.

ANMERKUNGEN

(1)
Gemeint ist hier der konterrevolutionäre Putsch, der im Oktober 1956 in Ungarn ausbrach. In der letzten Dekade des Oktobers 1956 inszenierten Imperialisten einen konterrevolutionären Putsch in Ungarn, einem sozialistischen Land Osteuropas, und unter den Kommunisten und den anderen der Revolution ergebenen Menschen wurde ein Blutbad angerichtet. Die Rebellen hielten eine Zeitlang die Hauptstadt Budapest besetzt. Die Imperialisten versuchten wahnwitzig, in Ungarn eine Bresche ins sozialistische Lager zu schlagen, um dann die sozialistischen Länder einzeln niederzuwerfen. Am 4. November rief das ungarische Volk die Revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung ins Leben, die mit dem Beistand der Sowjetarmee, gestützt auf die Sympathie und Hilfe aller sozialistischen Länder und aller fortschrittlichen Kräfte der Welt, das Komplott der konterrevolutionären Restauration zunichte machte.
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(2) Die feste Verzinsung ist eine Form der Ablösepolitik, die unser Staat bei der sozialistischen Umgestaltung in bezug auf die Produktionsmittel der nationalen Bourgeoisie verfolgt. Nachdem 1956 alle kapitalistischen Industrie- und Handelsbetriebe in gemischt staatlich-private Unternehmungen umgewandelt worden sind, zahlt der Staat den Kapitalisten im Laufe einer bestimmten Frist jährlich feste Zinsen auf ihr eingebrachtes Kapital; das heißt feste Verzinsung. Diese Verzinsung trägt nach wie vor Ausbeutungscharakter.
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(3) Auf Grund dieses Vorschlags von Genossen Mao Tse-tung nahmen im Jahre 1957 die Regierung und die örtlichen Behörden aller Stufen eine allseitige Nachprüfung der Tätigkeit zur Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre vor. Das Ergebnis dieser Nachprüfung zeigte, daß wir in unserem Kampf für die Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre einen gewaltigen Erfolg erzielt hatten und daß die überwältigende Mehrheit der bei der Säuberung entstandenen Rechtsfälle richtig behandelt worden war; es gab nur einige wenige Einzelfälle, in denen Fehler begangen wurden, aber auch diese sind, sobald sie entdeckt waren, berichtigt worden. Im Sommer 1957 benutzten die bürgerlichen Rechtselemente die Nachprüfung der Tätigkeit zur Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre, um Unruhe zu stiften, und versuchten, die bei der Hinaussäuberung der Konterrevolutionäre erzielten Erfolge zu negieren und die Säuberungspolitik der Partei zu attackieren. Diese Intrigen wurden aber durch den Kampf der Volksmassen des ganzen Landes zuschanden.
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(4) Die Wang-Guo-fan-Genossenschaft, d. h. die Djiänming-Produktionsgenossenschaft für Landwirtschaft, Forstwesen und Viehzucht im Dorf Hsisischilipu der Kreisstadt Dsunhua, Provinz Hopeh, ist unter der Führung des Genossenschaftsleiters Wang Guo-fan wegen ihrer fleißigen und sparsamen Aufbauarbeit im ganzen Land bekannt geworden. Im September 1958 wurde die Genossenschaft zur Djiänming-Volkskommune erweitert, und Wang Guo-fan arbeitet seither als deren Leiter. zurück

(5) Die demokratischen Reformen in Tibet wurden später vorfristig durchgeführt. Die örtliche Regierung und die reaktionären Elemente in der Oberschicht Tibets, die sich mit den Imperialisten und anderen intervenierenden Kräften des Auslands verbündet hatten, erhoben sich am 19. März 1959 zu einer umfassenden bewaffneten Rebellion, die von langer Hand geplant und vorbereitet war. Mit tatkräftiger Unterstützung seitens der breiten Masse der patriotisch gesinnten tibetanischen Mönche und Laien zerschlug die Volksbefreiungsarmee rasch diese Rebellion. Gleich darauf wurden die demokratischen Reformen in allen Gegenden Tibets durchgeführt, wodurch die Volksmassen Tibets aus finsterster, barbarischster Leibeigenschaft befreit wurden. zurück

(6) Siehe Lao Dsi, Kapitel 58. zurück

27. Februar 1957
Veröffentlicht am 19. Juni 1957 in der Renmin Ribao.
übernommen aus
Mao Tsetung - Ausgewählte Werke Bd. V

 

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Hinweis:
Erich Köhler
zitiert in "Sentenzen
kontra Schwarzbuch"
sowie in
"Sture und
das deutsche Herz":

 
W.I.Lenin:
"Von der Zerstörung einer jahrhundertealten Ordnung zur Schaffung einer neuen"


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