aus: Schicksal und Aufgabe (1944)
Kommunismus
.. ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.Dieses Wort gleicht tatsächlich einem Schreckgespenst für Kinder. Der Kommunismus ist der Gottseibeiuns der Bourgeoisie, genau so wie um das Jahr 1880 bei uns in Deutschland die Sozialdemokratie war. Das war damals, unter Bismark, der Inbegriff aller sansculottischen Zerstörung und Auflösung, des chaotischen Umsturzes. ..
Thomas Mann 1937
.. Der Kommunismus ist ein scharf umschriebenes, politisch-ökonomisches Programm, gegründet auf die Diktatur einer Klasse, des Proletariats, geboren aus dem historischen Materialismus des neunzehnten Jahrhunderts, und in dieser Form stark zeitgebunden. Er ist aber als Vision viel älter und enthält auch wieder Elemente, die erst einer Zukunftswelt angehören. Älter ist er, weil schon die religiösen Volksbewegungen des Mittelalters einen eschatologisch-kommunistischen Charakter hatten: schon damals sollten Erde, Wasser, Luft, das Wild, die Fische und Vögel allen gemeinsam gehören, auch die Herren sollten um das tägliche Brot arbeiten, und alle Lasten und Steuern sollten aufgehoben sein. So ist der Kommunismus älter als Marx und das 19. Jahrhundert. Der Zukunft aber gehört er an insofern, als die Welt, die nach uns kommt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden, und die langsam ihre Umrisse zu enthüllen beginnt, schwerlich ohne kommunistische Züge vorzustellen ist: d. h., ohne die Grundidee des gemeinsamen Besitz- und Genußrechts an den Gütern der Erde, ohne fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle. ..
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